29. Mai 2019

„Die meisten Bücher sterben in den ersten Jahren an Kinderkrankheiten. Die bösartigste heißt: Aktuellitis; man war so aktuell, dass man die Saison nicht überlebte.“ Der Satz stammt von Ludwig Marcuse, steht in einem Essay über Joseph Roth. Heute könnte man anstelle von Bücher auch Theaterspielpläne sagen, sie leiden nicht nur an viel zu hohem Roman-Spiegel, sondern zeitgleich leider und darum umso ärgerlicher, auch an Aktuellitis. Die Kritik hat sich in ihrem Sprachgebrauch an die Verhältnisse angepasst: sie schreibt vom Buch des Monats, gar der Stunde, und wenn einer oder eine so ein Buch auf den Markt brachte, als dieser gerade danach plärrte, sitzt er oder sie in jeder Literatursendung oder Talkshow, steht in jedem Feuilleton ein großes Interview, es ergeben sich bisweilen sogar Nachfolge-Aufträge: man darf den Experten spielen für Dresden oder Görlitz, vegane Tierhaltung oder Integration. Die Wahlergebnisse kenne ich nun auch. Es wird interessant.


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