Strittmatter in Arnstadt

Arnstadt. Natürlich wird es heute viele Leser geben, die sich freuen, an Erwin Strittmatter erinnert zu werden. Seine Bücher, wenn vielleicht nicht alle, aber doch viele von ihnen, haben den Status von Weggefährten für Menschen im hiesigen Teil Deutschlands. Gelesen wurde er in der Schule, gelesen wurde er auch ohne äußeren Zwang, seine Auflagen waren hoch. Als dann die große „Laden“-Verfilmung im Fernsehen lief, überzeugte Strittmatter sogar dort, wo man ihn vorher kaum oder gar nicht kannte, im Westen. Bis Werner Liersch auf den Plan trat. Nach seiner Veröffentlichung zu Strittmatters Rolle im Krieg 2008 war nichts mehr wie vorher. Jahre nach seinem Tod geriet Erwin Strittmatter plötzlich in den Ruf, ein großer Lügner gewesen zu sein.

Verteidiger traten auf, die wutentbrannt eine Kampagne vermuteten gegen das Andenken der DDR, Verteidiger Lierschs traten auf, die mit Strittmatter die SS-Vergangenheit des jungen Grass relativiert sahen. Liersch selbst, der noch in seinem Buch „Dichters Ort“ (2. Rudolstädter Auflage 1986) Strittmatter völlig ignoriert hatte, der in „Dichterland Brandenburg“ (1.Auflage 2004) nur Löbliches zu Strittmatter wusste, sieht heute selbst dessen Werk unwiderruflich beschädigt. Obwohl vom Werk eigentlich niemand mehr spricht momentan. Alle schnüffeln nur noch in der Militärbiografie. Sein Soldatenweg quer durch Europa ist mittlerweile detailreicher nachgezeichnet als der jedes anderen deutschsprachigen Autors seiner und anderer Kriegsgenerationen.

Dabei war nicht nur Hermann Hesse unerkannt in Arnstadt, sondern auch Erwin Strittmatter. Als er nämlich vom September 1936 bis Mai 1937 bei den Schwestern Ruetz in Beulwitz bei Saalfeld auf deren Edelhof als Faktotum und Kraftfahrer arbeitete, hatte er viele Aufgaben. „Sie schickten mich zum Beispiel nach Rudolstadt um zarte Möhren, oder sie schickten mich nach Weimar, um eine besonders gute Sorte Thüringer Rotwurst zu holen. Um Bratwurst wurde ich nach Jena geschickt, weil die Fleischer in Grottenstadt sie zu sehr salzten.“ Erinnert sich Strittmatter viel später in „Meine Freundin Tina Babe“. Mit Grottenstadt meint er Saalfeld, die anderen Städte nannte er bei ihren richtigen Namen. „Wenn wir nach Weimar, Erfurt, nach Jena oder nach Arnstadt fuhren und länger unterwegs waren, durfte ich auf Kosten der Damen irgendwo mahlzeiten gehen.“

Was die Damen mit ihm in Arnstadt wollten, vermerkt er nicht. Es könnte jedoch sein, dass sie einen gelegentlichen Blick in die St. Trinitatis-Kirche im nicht weit entfernten Molsdorf werfen wollten. Hedwig Ruetz (1879 – 1966), die Liebermann-Schülerin, hatte dieser Kirche nämlich 1934 sechs Ölgemälde gestiftet nach Fra Angelico. Dieses Faktum findet man ohne Schwierigkeiten auf der Internet-Seite von Arnstadt. Dass diese Malerin es war, die Strittmatter auch nach dem Krieg noch half, wieder Fuß zu fassen, steht dort natürlich nicht. Warum auch. Es darf also geforscht werden, wo Kraftfahrer Strittmatter speiste, während seine Dienstherrin in Arnstadt unterwegs war.
 Zum 100. Geburtstag Strittmatters am 14. August 2012 für die Thüringer Allgemeine
 Arnstadt geschrieben, bisher unveröffentlicht.


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