Jurij Koch zum 15. September 2016*

Der sorbische Autor Jurij Koch (Jahrgang 1936) hat sich seit seinem Eintritt in die deutschsprachige Literatur im Jahre 1975 einen festen Platz unter den wichtigen Schriftstellern unseres Landes erschrieben. Erst kürzlich lenkte er mit seinem Roman „Augenoperation“ erneut die Aufmerksamkeit von Lesern und Kritikern nachdrücklich auf sich. Die „Verrisse“, die er sich in einem Interview wünschte, weil sie möglicherweise seine Auflagenhöhe beeinflussen könnten, hat er nicht bekommen und so steht seine Klage im Raum: „Selbst meine Kinderbücher erleben keine Massenauflagen.“ Dabei ist Jurij Koch längst ein erfahrener Kinderbuchautor. Dafür stehen Titel wie „Jan und die größte Ohrfeige der Welt“, „Rosinen im Kopf“, „Pintlaschk oder Das goldene Schaf“, „Das schöne Mädchen“ und „Zwölf Brüder“, erschienen im Altberliner Verlag und im Bautzener Domowina-Verlag. „Die rasende Luftratte oder Wie der Mäusemotor erfunden wurde“ ist sein erstes Buch im Kinderbuchverlag und es endet mit diesem schönen Geständnis: „Zum Schluss möchte ich versichern, dass ich alles so dargestellt habe, wie es mir Stephan selbst in meiner Vorstellung erzählt hat.“

Jurij Koch hebt den Zeigefinger sehr deutlich in seiner flotten Geschichte und seltsam – was sonst fast unvermeidlich Lesernerven strapaziert, wird bei ihm zum Tüpfelchen auf dem I. Die Geschichte ist anders gar nicht denkbar als gewürzt mit diesen trockenen Sprüchen über flunkernde Schriftsteller, schlechte Bücher und vor allem über Erfinder. „Keine Erfindung ist vollkommen“, steht da und: „Erfinder wissen als Kinder, dass sie Erfinder werden wollen. Alles andere ist erfunden.“ In Jurij Kochs Buch passiert das Unmögliche: Stephan, der Erfinder, erfindet den Mäusemotor, der das Verkehrswesen zu Lande, zu Wasser und in der Luft revolutionieren kann, der das stinkende und teure Benzin überflüssig macht. Kohl und Möhren ersetzen als einheimische und regenerierbare „Rohstoffe“ die übliche Tankfüllung und nebenher erweist sich, dass Mädchen beim Erfinden eine große Rolle spielen können. Von Mäusen und Menschen handelt also Koch wie weiland ein großer Vorgänger, es gibt einen bösen, bösen Onkel und einen Luftkampf mit einem Drachen. Die neunjährigen Leser, für die das geschrieben ist, vergessen vielleicht, ihren Eltern „Die rasende Luftratte“ aufs Kopfkissen zu legen. Das wäre schade, denn die Tanzmaus des bösen Onkels liefert den unwiderleglichen Beweis: Vergnügen steckt an.“
Zuerst veröffentlicht in TRIBÜNE Nr. 147, 28. Juli 1989, Seite 14, unter der Überschrift
„Von fidelen Tanzmäusen und rasenden Luftratten“
* Zum 80. Geburtstag.


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