Armin Stolper: Unterwegs mit einem Entertainer

„Unterwegs mit einem Entertainer“ ist Armin Stolpers zwölftes Buch, wenn ich recht gezählt habe. Es sammelt neun Texte, nennt sie allesamt Erzählungen. Hätte der Autor die verbindenden Zwischentexte zwischen den zahlreichen Kernsätzen, Statements und Aphorismen weggelassen, die dem Buch zu seinen 164 Seiten verhelfen, hätte es guten Gewissens auch „Maximen und Reflektionen“ heißen können. Denn in erster Linie, so mein Eindruck, ging es Armin Stolper darum, seine Ansichten zu möglichst vielen Gegenständen von größerem und auch kleinerem Interesse zu formulieren. Die jeweiligen Erzählungen wurden dabei, meine ich, zu mehr oder minder geeigneten Vehikeln. Von der sich verspätenden Reichsbahn bis zum notwendigen Berufsethos eines Polizisten im Sozialismus reicht das Spektrum des Bedachten, wobei der Löwenanteil aller Stammbuchworte das Theater mit all seinen verschiedenen Aspekten betrifft.

Bedenkenswertes und Klischeehaftes, Überraschendes und überraschend Harmloses, Tiefsinniges und Plattes finden sich in bunter Mischung in diesem illustrierten Buch. Die Erzählanlässe haben durchweg etwas Zufälliges. Was haften bleibt vom Erzählten, hatte für mich nirgendwo notwendig mit dem Erzählten zu tun. Es hätte auch in einem ganz anderen Zusammenhang stehen können. Oder an einem anderen Ort, in der Tagespresse etwa. Literatur muss bisweilen von deren Funktionen übernehmen, von daher kommt auch die Bedeutung dieser Erzählungen. Der Theatermann Armin Stolper schreibt über weite Strecken auch Erzählungen dialogisch, dafür ist er ein Theatermann. Er setzt anderen Theatermännern Denkmäler zu Lebzeiten oder lässt sie zum Zwecke eines kunstvollen Nachrufes nach allzu frühem Tode kurzzeitig auferstehen. Er überlässt es den Lesern, die sehr präzisen Angaben zu diesen Männern so zu deuten, dass ihnen schließlich auch noch die aus unerfindlichen Gründen ausgesparten Namen einfallen dazu. Andere Namen tauchen dagegen ganz direkt auf, Frieder Simon etwa, der Puppenspieler.

Armin Stolper befestigt den Mythos des Theaters und seiner Leute. Erwachsene Kinder seien da am Wirken. Auffallend oft geht der Blick zurück in eine vorgeblich gute alte Theaterzeit, als man noch von der Straße weg engagiert wurde. Da scheint Verklärung am Werke. Es steht sehr viel Autobiografisches in diesen Erzählungen, Bekenntnisse, bisweilen wirkt der saloppe Ton gekünstelt. Manche Idee, wenn bei solcher Beliebigkeit überhaupt von einer Idee zu sprechen ist, ist ökonomische Nachnutzung. Die Begegnung eines Stückeschreibers mit seinen Theatergestalten etwa – die gab es nicht nur bei Armin Stolper selbst schon. In „Poesie trägt einen weiten Mantel“ (Henschelverlag 1982) reichten ihm noch drei Seiten für die Wiederbelebung der Herren Nitotschkin und Gubanow, jetzt braucht er deutlich mehr. Allerhand Koketterie, eine Prise rasch relativierte Selbstgerechtigkeit und manche Eitelkeiten drängen sich vor die nicht wenigen wichtigen Mitteilungen dieses Buches. Das ist bedauerlich.

„Vielleicht sollte ein Kritiker von einem gewissen Punkte seines Lebens an den Kritiker an den Nagel hängen und Gesellschaftsromane schreiben … da kann er zeigen, was in ihm als Mensch steckt“, reibt Stolper seinen Kritikern unter die Nase, denn er weiß wie diese Menschen sind. Die zählen zum Beispiel auch die Druckfehler in einem Buch (für die der Autor gar nichts kann) und sagen, wie ich, am Ende: zu viel des Guten, viel zu viel.
Zuerst veröffentlicht in „Tribüne“ Nr. 15, 20. Januar 1989, S. 13 unter dem Titel:
„Denkmäler in Prosa für den Mythos vom Theater“


Joomla 2.5 Templates von SiteGround