Steffen Mensching war allein da*
Arnstadt. Demnächst sollte Steffen Mensching lieber gleich nach Ilmenau kommen zu seinem Publikum, dann müsste dieses nicht eigens in mehreren Fahrzeugen in die Kreisstadt reisen, um dort doch wieder unter sich zu sein.
Die Arnstädter Anteile am dienstäglichen Theaterabend im Schlossgarten hielten sich im niedrigen einstelligen Bereich, das Personal des Hauses schon mit eingerechnet, während aus der nahen Universitätsstadt doch verschiedene alte Freunde der gehobenen Kleinkunst der Versuchung nicht widerstehen konnten, zu sehen und zu hören, was denn die eine Hälfte von Mensching/Wenzel macht, wenn sie es allein macht. Und das Fazit war nach zwei kompakten Stunden mit einer Pause dazwischen derart, dass die wenigen halbwegs gefüllten Reihen für die nicht Anwesenden mit klatschten, als wäre es doch ein genau genommen ziemlich voller Theatersaal gewesen.
Steffen Mensching bot ein Solo-Programm unter dem Titel „One Man Show Down“ und es war durchweg eine geballte Ladung, es war phasenweise so hinreißend komisch, dass einem die Lachtränen auf die Kragenecken tropften und es war dicht. Wohl diesem am 27. Dezember, als die Ilmenauer alten Goetheschüler sich zu ihrem alljährlichen Begängnis zusammenfanden, 41 Jahre alt gewordenen immer noch jungen Mann, der schon mit zarten 20 Jahren ein Becher-Diplom des Kulturbundes der DDR erhielt und sich frühzeitig unter die Junglyriker dieses inzwischen untergegangenen Staates mischte. Schon 1979 erschien sein „Poesiealbum“ als Nummer 146 der gleichnamigen Reihe, 1984 im Mitteldeutschen Verlag der Gedichtband „Erinnerung an eine Milchglasscheibe“, für den es den Debütpreis des inzwischen untergegangenen Schriftstellerverbandes des DDR gab, 1986 ging Mensching dann mit weiteren Gedichten auf „Tuchfühlung“. Die weitreichende Popularität aber unter den gewöhnlich besonders gut unterrichteten Kreisen errang er gemeinsam mit Hans-Eckardt Wenzel. Gastspiele in Ilmenau, als die Universität noch Hochschule hieß, sind Legende und alles, was am Dienstag in Arnstadt für drei klatschte, war seinerzeit auch schon im Publikum. „Neues aus der DaDaeR“ gab es zwar nicht, auch eine Erklärung von DDR-Künstlern wie am 4. Oktober 1989 in Ilmenau galt es nicht eingangs zu verlesen, dennoch spielte dieses Ländlein auch in der Show am Dienstag eine hörbare Hauptrolle.
Mensching war vor allem der große Showmaster Frank Meister, aber er war auch jede andere Person der Geschichte um eine Aufzeichnung einer Kandidatenshow in Chemnitz, für die die Kamerateams bei Fulda stecken geblieben waren. Manchmal hielt er sich nur die Nase zu oder spitzte als Heimatforscher Dr. Teuchert das Mündchen (ein Glück, dass im Publikum wenig Heimatforscher saßen, die hätten wohl heute schon eine schriftliche Klage wegen Verunglimpfung ihres doch so herrlichen Standes eingereicht beim Papst oder wenigstens beim Presserat), manchmal hechelte er, manchmal zappelte er, er sang auch, dass sich die Balken bogen. Und zwar am schönsten von Russen und Hasen und Frauen und Schüssen. Die Abgründe der deutschen Fernsehunterhaltung, die Arroganz ihrer Macher gegenüber Publikum und Kandidaten, egal ob echten oder unechten, sind kein Thema aufklärerischen Inhalts mehr, man kennt zehn Jahre nach der Übergabe zur Einverleibung auch hier all das zur Genüge, um so mehr darf man sich auf das Wie der satirischen Clownerie konzentrieren. Genau dieses Wie ist es, das den Mensching unverwechselbar macht. Im Foyer des Theaters gab es anschließend aus einem Blechkoffer auch noch Bücher von Mensching zu kaufen. Den wirklich empfehlenswerten „Pygmalion“ zum Beispiel.
* zuerst veröffentlicht in: Freies Wort, 20. April 2000, Untertitel: Wenig Publikum spendete viel Beifall