Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher
Das Nachwort beseitigt den letzten Zweifel, falls sich einer bis dahin erhalten haben sollte. Volker Weidermann hat mit „Das Buch der verbrannten Bücher“ ein Buch der Liebe geschrieben.
ERFURT. „Es ist herrlich, mit ihm durch die Gänge zu streifen, unten im Keller am Joseph-Roth-Regal stehen zu bleiben ...“ Schreibt Weidermann, Jahrgang 1969 und Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, über den Sammler Georg P. Salzmann aus Gräfelfing.
Dieser besitzt die wohl größte Sammlung von Titeln der Autoren, die am heute sich zum 75. Mal jährenden 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin unter gebrüllten „Feuersprüchen“ dem lodernden Scheiterhaufen übergeben wurden. Volker Weidermann hat mit seinem Buch den Versuch unternommen, ganz persönliche Leseeindrücke zu vermitteln von den Verbrannten, nicht mehr.
Man kann seinem Buch alle Vorwürfe machen, die schon gegen seine rasch zum Bestseller gewordenen „Lichtjahre. Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute“ erhoben wurden. Ihm also beispielsweise Boulevard-Tendenzen vorwerfen, Hascherei nach wenigstens kleinen Lebenssensationen der Autoren, über die er sich äußert.
Im Fall der verbrannten Bücher aber darf man sagen: Wenn dies dazu führt, dass gute Bücher wieder oder wieder mehr gelesen werden, die vorher ganz oder fast vergessen waren, dann soll der Mann gelobt werden, der es unternahm. Man muss nicht unbedingt wissen, dass Hitler einmal Lion Feuchtwanger in den Mantel half. Wenn einen das aber zu Feuchtwanger greifen lässt, war es ein hilfreiches Detail.
Volker Weidermann hat mit der Vorbemerkung vorgebeugt. Er wollte keine literaturwissenschaftlichen Werkanalysen bieten. Und hat sogar oft, zu oft, vergessen zu sagen, warum der eine oder andere Autor überhaupt auf der berüchtigten Liste des Bibliothekars Hermann landete, auf der die Verbrennungen fußten, 131 Namen auf der ersten Liste, die später ergänzt wurde.
Nur die Vollständigkeit aber, die Weidermann schließlich erreichte, vermittelt das Bild, das heute tatsächlich Neuwert für sich beanspruchen kann. Es wurden eben nicht nur jüdische, kommunistische, pazifistische Autoren „den Flammen übergeben“, wie die begleitende Phrase auf dem Opernplatz lautete.
Es brannten auch Bücher von Autoren und Autorinnen, die danach eine erstaunliche Karriere im Nazireich erlebten. Autoren, die sich der neuen Macht anbiederten, als die Asche ihrer Bücher buchstäblich noch nicht kalt war. Es brannten Bücher, die literarisch wenig taugten, ebenso wie Weltliteratur.
Volker Weidermann ist ein griffsicherer Sätze-Picker. Er zitiert oft und offenbart unterwegs auch immer sich selbst. Sein Buch ist wichtig. Über das heutige Jubiläum hinaus. Und es verrät im schon genannten Nachwort, dass Thüringen beinahe in den Besitz jener eingangs erwähnten wunderbaren Sammlung gekommen wäre. Sammler Salzmann nämlich, der 1953 aus Walthershausen gen Westen ging, wollte vor Jahren seinen Schatz der neu gegründeten Universität Erfurt als Schenkung anbieten. Die aber lehnte, so Weidermann, dankend ab. Man habe andere Forschungsschwerpunkte.
*Dieser Text die Originalfassung von „Buch der verbrannten Bücher“, Thüringer Allgemeine, 10. Mai 2008, Seite 4