James Baldwin: Blues für Mister Charlie

Der Blick ins Personenverzeichnis hilft nicht: es kommt kein Mister Charlie vor in diesem dreiaktigen Stück. Als es am 24. April 1964 im New Yorker ANTA Theatre uraufgeführt wurde, die Regie lag in den Händen von Burgess Meredith, war sein Autor James Baldwin noch keine 40 Jahre alt. Meredith, nach dem Krieg zunächst eines der vielen Opfer der McCarthy-Ära, hatte in den späteren seiner fast 90 Lebensjahre Erfolge als Schauspieler in so unterschiedlichen Rollen wie der des Pinguin in 21 Fernsehfolgen von „Batman“ oder der des Boxtrainers Mickey in den „Rocky“-Filmen mit Sylvester Stallone. Drei Tage vor Baldwins 40. Geburtstag veröffentlichte der SPIEGEL in seiner Ausgabe 34/1964 ein sehr ausführliches Gespräch mit ihm unter der arg reißerischen Überschrift „In Harlem werden Waffen gehortet“. Redakteur Wilfried Ahrens zeigte im Verlauf dieses Interviews keinerlei Interesse am literarischen Schaffen seines Gesprächspartners, ihm ging es um die sich heftig zuspitzenden Rassen-Unruhen in den USA. Ob er vom Stück um den Tod des jungen schwarzen Musikers Richard Henry überhaupt wusste drei Monate nach der Welt-Premiere, lässt der gedruckte Text nicht erkennen. Ob vom „kollektiven Bekenntnis“ zum Stück mit mehr als 30 zum Teil sehr prominenten Unterschriften, darunter Marlon Brando, Tennessee Williams, Harry Belafonte und Sidney Poitier, folglich ebenfalls nicht. Denn ein Bürgerkrieg schien bevorzustehen.

Die deutschsprachige Erstaufführung ließ viereinhalb Jahre auf sich warten, Leon Epp (29. Mai 1905 – 21. Dezember 1968) brachte sie am Wiener Volkstheater auf die Bühne, es war wohl seine letzte abgeschlossene Regie-Arbeit vor seinem tödlichen Unfall in Eisenstadt. An jenem 25. Oktober 1968 waren die Olympischen Spiele in Mexico City noch nicht beendet, sie dauerten noch zwei Tage, den in die Sportgeschichte eingehenden Protest von Tommy Smith und John Carlos während der Siegerehrung für das 200-Meter-Sprint-Finale aber hatten Millionen in aller Welt gesehen, vernommen auch die Suspendierung der beiden Sportler, die bereits am 16. Oktober 1968 die Heimreise antreten mussten. Am 4. April 1968 war Martin Luther King ermordet worden, am 6. Juni dann Robert Kennedy. Malcolm X starb schon am 21. Mai 1965 - der Aktualität dessen, was James Baldwin zu seinem zweiten und letzten Bühnenstück veranlasste, mussten auch und gerade in Europa kaum weitere faktische Belege beigegeben werden. Baldwin hat in seinen Anmerkungen zum Stück geschrieben: „Es beruht, wenn auch nur zu einem geringen Teil, auf dem Fall Emmett Till. Das war ein junger Neger, der 1955 in Mississippi ermordet wurde. Der Mörder wurde freigesprochen.“ Der WIKIPEDIA-Eintrag zu Emmett Till (25. Juli 1941 – 28. August 1955) enthält zwar ein Foto von der entstellten Leiche im offenen Sarg, aber keinen Hinweis auf Baldwin.

Dafür finden sich dort die Namen von Bob Dylan und Emmylou Harris, die 1962 und 2011 mit Songs zu Till auf den Fall aufmerksam machten. Ein besonderer Fall ist der des Professors und Schriftsteller Lewis Nordan (23. August 1939 – 13. April 2012), der die beiden Mörder des nur 14 Jahre alten Opfers persönlich kannte und 1993 einen Roman dazu veröffentlichte: „Wolf Whistle“, der nie ins Deutsche übertragen wurde, soweit mir bekannt ist. Die Schlüsselstelle zum Stück-Titel findet sich am Ende des ersten Aktes, dort reden der weiße Journalist Parnell James und der Vater des erschossenen Richard, der Prediger Meridian Henry, miteinander. Auf die Frage, wer denn dieser Mister Charlie sei, der sich nicht ändern könnte, antwortet der Prediger: „Sie sind Mister Charlie. Alle Weißen sind Mister Charlie.“ Also singt der Schriftsteller James Baldwin diesen Blues für alle Weißen, das ist den Intentionen der europäischen Aufklärung 200 Jahre früher gar nicht sehr fern. Der potentiellen Wirkung des Stückes auf Weiße aber ist eine Grenze gesetzt, an die der Autor womöglich nicht dachte, vielleicht auch gar nicht denken wollte. Otto F. Beer (8. September 1910 – 22. April 2002), ein Wiener Autor, der die deutschsprachige Erstaufführung 1968 sah, schrieb darüber für die ZEIT im Rahmen eines umfänglichen Beitrages über die neue Spielplansaison etwas, was uns Heutigen zeigt, wie alt manche vermeintlich aktuelle Debatte in Wahrheit schon ist.

„Baldwin hat ein pochendes und hämmerndes Stück geschrieben, und Leon Epp hat dessen Rhythmus auf die Volkstheaterbühne übertragen. Freilich kommt ein solches Beginnen nicht um die Peinlichkeit herum, weiße Schauspieler in schwarzer Schminke auf die Szene zu bemühen und unter den uns bekannten Negerstämmen gehören diejenigen aus dem 7. Wiener Gemeindebezirk nun einmal zu den eher müden. Dennoch spürte man aus dieser dramaturgischen Höllenmaschine die Unentrinnbarkeit, die tragische Verstrickung und vor allem den heißen Atem von Baldwins aufrüttelndem Drama.“ Man sagte vor 50 Jahren noch bedenkenlos „Neger“ und ob es besser ist, den Kampf gegen Rassismus schon für so gut wie beendet zu halten, wenn Sprache diesbezüglich reglementiert wird, steht dahin. Immer neu aufflackernde Unruhen in den USA nach Übergriffen von Weißen auf Schwarze, auch und vor allem von weißen Polizisten, zeigen, dass pseudokorrekte Sprache allenfalls den Sprechern hilft, nicht aber denen, um die es angeblich so sehr geht. Auch das SPIEGEL-Interview 1964 klebte an möglichen Waffen in den Händen der Schwarzen, ohne nur ein Wort über die Millionen Waffen in den Händen der Weißen zu verlieren. Bezieht die Waffenlobby 2017 die farbige Bevölkerung der USA eigentlich in den Kreis ihrer Schutzbefohlenen ein, egal wie viele Massaker ohne Schusswaffen schlicht ausgefallen wären? Baldwin ist fast peinlich aktuell.

Dennoch steht die von Otto F. Beer aufgeworfene Frage heute schärfer als damals, denn heute ist selbst die „Black-Facing“-Debatte für die aufgeregten Beteiligten schon wieder Diskursgeschichte, die Theater aber können womöglich bestimmte Stücke gar nicht mehr ernsthaft in ihre Spielplan-Überlegungen einbeziehen. Denn wie auch immer: die Wirkung des mehr filmischer als bühnen-dramatischer Technik verpflichteten Dreiakters beruht ja doch darauf, dass Schwarze Weißen auf der Bühne gegenüber stehen, dass die vom Autor intendierte Simultanbühne in den allegorischen Figuren Blacktown und Whitetown auch rein optisch erkennbar werden und zwar als ein durchaus beachtenswertes Agieren im Sinne antiker Chöre. Die Vermutung, „Blues für Mister Charlie“ sei vor allem bei uns zu einem Dasein als Lesedrama verurteilt, ist schwer von der Hand zu weisen. Der SPIEGEL, noch einmal auf ihn zu kommen, illustrierte sein Interview mit Karikaturen aus dem „Simplizissimus“, die heute nicht einmal mehr als grenzwertig, sondern als diskriminierend gesehen würden in weiten Teilen der Öffentlichkeit. Immerhin fragte vor fast 50 Jahren Wilfried Ahrens, ob Baldwin Möglichkeiten sähe „für die Neger, einen Anteil an der Macht zu erringen“. Die Antwort Baldwins erklärt das Für im Titel seines Stückes: „Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist die Angst des weißen Mannes, sein Selbsterhaltungstrieb, und wenn er überleben will, muss er ändern.“

Im Zusammenhang mit Wahlkampf und Wahlsieg des derzeitigen amerikanischer Präsidenten Donald Trump ist der „heterosexuelle weiße Mann“ zu einer fast mythischen Größe professioneller Deutungsversuche geworden, zu einer Art von Schreckgespenst. Baldwin wusste vor fünfzig und mehr Jahren und eben aus eigener Erfahrung, dass man „den weißen Mann“ eben nicht einfach mit mehr oder minder großer Dringlichkeit auffordern kann, seine Privilegien ganz oder teilweise aufzugeben. Seinen Akteur Parnell lässt er sagen: „Es geht nicht darum, daran festzuhalten – diese Dinge, diese Privilegien sind Teil von einem, sind das, was man ist. Sie stecken einem in den Knochen.“ Gerade der arme Weiße, dem es unter Umständen kaum besser geht als dem Schwarzen, empfindet es nicht nur als Privileg, weiß zu sein, es ist sein Privileg, seine Identität hängt daran. Auch deshalb hat James Baldwin seine Weißen wie seine Schwarzen eben nicht in Schwarzweiß gezeichnet, sein Mörder Lyle Britten verkörpert eben nicht d i e Schuld, Richard Henry nicht d i e Unschuld, simple Verteilung von Sympathien und Antipathien seitens der Zuschauer will das Stück gerade nicht fördern. Da ist schließlich der rassistische Reverend Phelps fast noch problematischer als der sehr einfache Geist Lyle, der von den Negern lebt, weil sie in seinem Laden kaufen und gleichzeitig nicht die geringste vermeintliche oder tatsächliche Aufsässigkeit bei ihnen duldet.

„Blues für Mister Charlie“ operiert mit Rückblenden und Zwischenschnitten wie ein Film, das ist auf einer Bühne schwer umzusetzen, wenn es nicht zu Verständnisschwierigkeiten kommen soll. Zudem ist die Gerichtsverhandlung im dritten Akt auffallend realitätsfern, wenigstens für heutige Rezipienten, die in unzähligen Filmen den Vollzug von Strafprozessordnung erlebt haben, die gerade auch aus amerikanischen Filmen kennen, wie das Recht geradezu überhöht wird. Baldwin lässt in seinem Verfahren den Richter überhaupt nicht zu Wort kommen, bei ihm führt der Staatsanwalt fast allein das Verfahren und zwar in einer derart extrem vorverurteilenden Weise, dass man sich die Augen reibt: Sollte so etwas in den Südstaaten der USA tatsächlich noch Mitte vorigen Jahrhunderts so gelaufen sein? Wer ist dann der kurz auftretende Anwalt des Nebenklägers? Keiner der Zeugen wird auch nur annähernd sachgemäß vernommen, mehrheitlich treten sie nur auf, um zum schließlichen Gesamtbild des Ablaufs hin zum geplanten und zielstrebig vollzogenen Mord ein Mosaiksteinchen beizutragen. Das ist dramaturgisch durchaus nachvollziehbar, provoziert aber ohne Not Zweifel am Stück selbst. Denn für heutige Leser oder Zuschauer kommt eines hinzu: das Opfer hat den späteren Täter in einer Weise provoziert, ihn und seine Frau beleidigt, die in heutigen Kino- oder Fernsehkrimis mindestens Verständnis für den Mörder erzeugen würde: mildernde Umstände.

Es gehört im Stück zur den auffälligen Selbstverständlichkeiten, dass sich die diskriminierten und ausgebeuteten Farbigen an einer Stelle Selbstwertgefühl verschaffen und äußern, die wie wenig anderes geeignet ist, geraden Wegs zu Gewalt zu führen; diese jungen Schwarzen prahlen mit ihrer sexuellen Potenz, sie ziehen die diesbezüglichen Fähigkeiten der weißen „Schlappschwänze“ ganz grundsätzlich in Frage, sie behaupten, weiße Frauen, die mit Schwarzen Erfahrungen haben, wollen keine weißen Männer mehr, der Weiße müsse, um Kinder zu zeugen, viele, viele Versuche starten, anders als die omnipotenten jungen Schwarzen. Als ob nicht der friedlichste Mann zum Affekttäter werden kann, der als Feigling oder Versager beleidigt wird, unzählige Kriminalromane und Filme haben genau das vorgeführt. Was für das Stück aber tendenziell die fatale Lesart nach sich zöge, Opfer hätten selbst schuld, wenn sie Opfer würden. Das aber hätte mit den US-amerikanischen Verhältnissen in ihrem Kern nun wirklich nichts zu tun. Schwer zu sagen, ob sich James Baldwin solcher Implikationen bewusst war, hat er doch ohne Not auch den reichen Lokaljournalisten und Chefredakteur des Orts-Blättchens, das angeblich niemand liest, mit Zügen und Vorgeschichten ausgestattet, die vom vermeintlichen Kernkonflikt ablenken. Denkbar ist aber, dass Baldwin genau das wollte: einen Mr. Charlie auf der Bühne zeigen, der selbst ein Faible für schwarze Frauen hat.

Im Interview sagte Baldwin: „Eine Nation, die mit dem Revolver in der Hand und durch den Revolver gelebt hat – plötzlich hat sie Angst davor, was geschehen könnte, wenn ich einen Revolver in die Hand bekäme.“ Und er sagte auch, was 50 Jahre später immer noch manches erklärt in diesen USA: „Die Polizisten wissen nicht, was sie tun. Sie haben Angst, und deshalb sind sie so brutal.“ Sein in gewisser Weise vom berühmten Regisseur Elia Kazan angeregtes Stück zweifellos im Hinterkopf antwortete er dem Redakteur Ahrens: „Der Preis für meine Befreiung ist die Befreiung der Weißen. Eine Befreiung von ihren Ängsten.“ Im Stück zeigt Baldwin die ganze Irrationalität der Situation: Ladenbesitzer Lyle Britten findet es vollkommen selbstverständlich, schwarze Mädchen notfalls auch zu nötigen oder gar zu vergewaltigen, weil es für die jungen Weißen quasi ein Sport ist, im Negerviertel zu wildern und selbst vor verheirateten schwarzen Frauen nicht Halt zu machen. Andererseits überlegt er, wie er seinen Laden attraktiver machen kann für seine vorwiegend schwarze Kundschaft, andererseits hofft er, das genau dieser Kundschaft der zwischenzeitliche Boykott zu aufwendig wird. Lyle Britten hat bereits einen Mann erschossen, dessen Frau er auch missbrauchte. Die Mutter des Mordopfers Richard Henry wurde, wie das Stück nahelegt, vor acht Jahren ebenfalls das Opfer einer absichtlichen Gewalttat, sie wurde eine Treppe hinunter gestoßen.

Wie weit James Baldwin sein Stück gesehen haben wollte, sprach er in seinen Anmerkungen aus: „Entsetzlich und nahezu hoffnungslos an unserer Rassensituation ist, dass die von uns begangenen Verbrechen so groß und so unaussprechlich sind, dass es buchstäblich in den Irrsinn führen würde, sie als solche anzuerkennen.“ Er sagt nicht etwa „die von ihnen begangenen Verbrechen“, er sagt „die von uns begangenen“. Er bezieht sich selbst ein, soll das ja heißen, daran besteht kein Zweifel, und es ist ein in spezieller Weise christliches Schuld-auf-sich-Nehmen. Für den jungen Lorenzo im Stück ist es „dieser verfluchte weiße Gott, der uns lynchte, verbrannte, kastrierte, unsere Frauen schändete und uns alles raubte“, dieser Lorenzo sagt von diesem Gott: „Wenn ich ihn zu packen kriegte, ich würde Ihn aus seinem Himmel herunterreißen und ihn an einem Strick durch die Stadt schleifen.“ Solche Sätze sind im fundamentalistisch-evangelikalen Staat USA bis heute schwerlich einfach zu verdauen. Ähnliche Anklagen gegen Gott kennt die deutsche Literatur nach 1945 etwa bei Wolfgang Borchert in „Draußen vor der Tür“ und nicht wenigen Prosa-Erzählungen. Solche Sätze zielen, so seltsam es scheinen mag, hoffnungsvoll auf den christlichen Mister Charlie, der sich sagen soll: So schlimm steht es also mit Euch, dass Ihr sogar Euren Gott verflucht. Nein, an die amerikanische Arbeiterklasse hat Baldwin dabei kaum gedacht, das war nur DDR-Wunschdenken.

Immerhin 34 Druckzeilen widmete der SPIEGEL am 7. Dezember 1987 dem am 1. Dezember verstorbenen James Baldwin: „Nach eigenen Worten ein „Bastard des Westens“, der westlichen Kultur, radikalisierte sich der Bürgerrechtler zum Fürsprecher der militanten „Black Panthers“ und war doch diesen Rassenkämpfern nicht radikal genug. Er wusste aber wohl auch, dass sein politisch-agitatorisches Engagement seinem Künstlertum abträglich war. Baldwins spätere Werke zeigten zunehmend ästhetische Schwächen und blieben ohne nachhaltigen Erfolg.“ Erst in diesem Jahr 2017 sorgte der Dokumentarfilm „I Am Not Your Negro“ von Raoul Peck für vorübergehend neu erwachendes Interesse an Baldwin. Kein namhaftes deutsches Feuilleton verzichtete darauf, den Film und damit seinen Hauptakteur James Baldwin mehr oder minder ausführlich zu Wort kommen zu lassen und vorzustellen. In „Blues für Mister Charlie“ sagt Richard Henry zu seiner Großmutter: „Und der einzige Weg, auf dem die Schwarzen zur Macht kommen können, ist, alle Weißen ins Meer zu jagen.“ Der Weiße George erinnert sich an die guten alten Zeiten: „Die Nigger waren damals in Ordnung – man konnte immer einen Nigger finden, der einem half, einen anderen Nigger zu fangen.“ Und Juanita spricht wie Lorenzo: „Wenn es Ihn auf diesem schaudervollen Stern irgendwo gibt, wenn ich Ihm je begegne – ich speie ihm in sein Angesicht. In Gottes Angesicht!“

In der Gerichtsverhandlung im dritten Akt lässt Baldwin den Staatsanwalt sagen: „Eine weiße Frau, die sich einem Farbigen hingibt, steht unter allen menschlichen Begriffen. Sie besudelt damit zügellos und vorsätzlich den Tempel des Heiligen Geistes.“ Ist alles das schon 50 Jahre her oder erst 50 Jahre? Der Leipziger Amerikanistik-Professor Eberhard Brüning (Jahrgang 1925) hat im Ende des dritten Aktes den Beginn eines Protestmarsches der Neger sehen wollen und in der zaghaften Anfrage des Journalisten Parnell, ob er neben Juanita gehen dürfe, so etwas wie den Beginn eines Aktions-Bündnisses. Vielleicht ging das 1968 nicht anders, der Text gibt diese Deutung für mich jedenfalls nicht her. „Baldwin versteht es durchaus, den individuellen Fall des gewaltsamen Todes eines jungen Negers als Teil eines echten, nationalen Problems zu sehen und immer wieder auf die damit verbundenen sozialen Kernfragen zu orientieren. Allerdings sind alle zentralen Personen des Stückes innerlich zerrissen, frustriert, im Charakterbild entstellt und verzerrt. Das trifft für die Neger in gleicher Weise zu wie für die Weißen.“ Wie hätte Eberhard Brüning die zentralen Personen denn gern gehabt? Vermutlich wie Angela Davis, obwohl die doch schon eine arg seltsame Frisur trug? Ein Fingerzeig auf seine Wunschbilder der Welt war, dass er die Drogensucht des Mordopfers Richard Henry, die James Baldwin eben gerade nicht ausklammerte, einfach verschwieg.


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