Howard Fast 100

 

In der gesamten Geschichte der DDR hat es keinen ausländischen Autor, auf jeden Fall keinen Amerikaner gegeben, von dem innerhalb von rund zehn Jahren mehr Bücher erschienen, als von Howard Fast. Vor allem waren es Romane, aber auch Erzählungen, Kinderbücher, dokumentarisch- essayistische Bücher und Broschuren. Einige erreichten in diesem Zeitraum von 1948 bis 1957 vier Auflagen oder wurden zusätzlich als Taschenbuch vertrieben. Als Fast sich 1957 offiziell und förmlich aus der Kommunistischen Partei der USA verabschiedete, gab er an, bis dahin weltweit 20 Millionen Bücher verkauft zu haben. Als er im hohen Alter von 88 Jahren am 12. März 2003 verstarb, konnte er auf mehr als 80 Bücher, übersetzt in insgesamt 82 Sprachen, zurückblicken. Mehrere wurden verfilmt, dabei ist die 1960 nach einem Drehbuch von Dalton Trumbo von Stanley Kubrick realisierte Kino-Fassung von „Spartacus“ mit Abstand die bekannteste und auch zweifellos beste. Den Film durften auch DDR-Kinogänger sehen, während der Autor nach 1957 zur Unperson wurde und erst in der bb-Reihe des Aufbau-Verlages (Nr. 647) 1990 mehr oder minder überraschend noch einmal entdeckt wurde.

 

Das ehemalige Zentralorgan NEUES DEUTSCHLAND druckte eine winzige Annotation von Ursula Meves zum Roman „Max“, die so begann: „Der Zufall spielte mir den Roman „Max“ von Howard Fast in die Hände; er erwies sich als ein glücklicher Umstand. Howard Fast, der in den 50er Jahren mit „Die Straße zur Freiheit“ oder „Spartacus“ ein bekannter Autor war, verschwand nach seinem Austritt aus der Kommunistischen Partei von unseren Verlagslisten. Über Jahrzehnte veröffentlichte er unter Pseudonym spannende Unterhaltungsliteratur. Ab Ende der 70er Jahre erlebte er ein Comeback als Howard Fast. „Max“ ist eine Probe dieser neuerlich fruchtbaren Schaffensperiode.“ Noch immer ist man versucht, solchen Texten mit Lachanfällen und Kopfschütteln zu begegnen. Das war am 20. April 1990 zu lesen, wenige Wochen vor der Währungsunion, wenige Monate vor dem auch förmlichen Ende der DDR. Die Partei, deren Zentralorgan die Zeitung über Jahrzehnte gewesen war, erging sich in diversen Mimikry-Versuchen. In den nicht mehr blindlings alles aus dem ND abschreibenden „Bezirksorganen“ waren die unverdächtigsten alten Genossen, gern einstige Sportredakteure, auf die Chefsessel gehievt worden, man konnte schon Kleinanzeigen für ausgesprochene Nazi-Bücher wie etwa von Erwin Guido Kolbenheyer in ihnen finden. Und in Berlin fielen Kritikern Bücher zufällig in die Hände!

 

Was für ein Hohn ist die Aussage, Fast sei von den Verlagslisten verschwunden. Mein erstes Fast-Buch war natürlich „Spartacus“, ich las es Anfang 1965 als viertes nach „Spartacus der Sklavenfeldherr“ von Robert Münchgesang, „Spartacus. Abriss der Geschichte des großen Sklavenaufstandes“ von A. W. Mischulin und „Spartacus. Der große Sklavenaufstand“ von Marcel Ollivier, letzteres mit einem Vorwort von Henri Barbusse, immerhin. Das war meine wütende Reaktion darauf, dass ich im Geschichtsunterricht der Schule krankheitshalber die Behandlung des Themas verpasst hatte und doch meinte, der größte zwölfjährige Experte zu sein. Alle meine neugierigen Fragen nach dem Autor jedoch wurden von meinem Vater, in dessen Bücherschrank alle vier Titel standen, geheimnisvoll ausweichend beantwortet. Mir blieb für immer nur das haften: Es war offenbar eine politische Übeltat im Spiel, vergleichbare Aussagen kannte ich schon in frühen Jahren auch zu anderen Autoren, offenbar kursierten auf nichtöffentlichen Informationswegen doch Erklärungen für unerklärliche Phänomene, deren Wahrheit oder auch nur Glaubhaftigkeit freilich auf einem anderen Blatt stand. Ich bin auf alle Fälle im Glauben aufgewachsen, dass Autoren, die ihre alten Überzeugungen so oder so verraten, anschließend keine guten Bücher mehr schreiben können. Was ja auch das ND noch 1990 seinen verbliebenen Lesern nahelegte.

 

Dass Fast mit dem Übergang zur Unterhaltungsliteratur unter Pseudonym (E. V. Cunningham) auch Nachwirkungen der McCarthy-Ära ausweichen wollte, die sich für ihre Opfer ganz brutal finanziell auswirkte, weshalb der Auftrag zum „Spartacus“-Drehbuch ausgerechnet an den lange verfemten Dalton Trumbo ja durchaus als Signal gesehen werden konnte, wenngleich als arg folgenloses, ist sicher anzunehmen. Das Kuriose an und um Howard Fast aus heutige Sicht liegt darin, dass er bis ins Detail alles bereits beschrieben hatte und zwar im Gestus scharfer Verurteilung oder als bittere Satire, was er dann 1957 selbst vollzog. In der DDR, die zu keinem Zeitpunkt eine offene, ausführliche und dann auch öffentliche Debatte über die Zeit Stalins erlebt hatte, weil es den Machthabern der SED immer gelungen war, kurze Perioden dessen, was man nach einem Buch von Ilja Ehrenburg „Tauwetter“ nannte, unter echten oder vorgeschobenen Vorwänden wieder abzuwürgen, konnte, so verrückt es klingt, eine den Tatsachen entsprechende Erklärung für die Abkehr vieler Intellektueller außerhalb des Zugriffsbereiches der Staaten des Warschauer Pakts gar nicht gegeben werden. Gegenüber einer Partei, die immer recht hat, kann der einzelne Kommunist immer nur im Unrecht sein, wenn er ihre Meinung nicht teilt, selbst wenn diese Meinung sich in ihr Gegenteil verkehrt haben sollte zwischenzeitlich.

 

Neben den bekannten Enthüllungen mit all ihren zunächst gar nicht im Detail überschaubaren Grausamkeiten soll Howard Fast, Nachkomme jüdischer Auswanderer aus Osteuropa, echtes Arbeiterkind, was in der US-amerikanischen Literatur ja keine alltägliche Erscheinung war, vor allem darüber entsetzt gewesen sein, wie stark in der Sowjetunion der Antisemitismus verbreitet war. Noch kurz vor Ende des Sozialismus-Experiments auch dort war, wie mir glaubhaft versichert wurde vor vielen Jahren, den Juden als einziger Volksgruppe im Vielvölkerstaat eine Kennzeichnung im Ausweis verordnet. Die hohe Zahl an jüdischen Auswanderern aus dem Gebiet der Sowjetunion war dann von Anfang an indirekter Beweis für die Richtigkeit aller angeblicher West-Propaganda. Howard Fast also, der Kommunistischen Partei der USA nach mehr als einem Dutzend Jahren der Zugehörigkeit endgültig den Rücken kehrend, hatte sehr gute Gründe für seinen Schritt. Dass ihn das aktuelle sechsbändige ZEIT LITERATURLEXIKON einfach ignoriert, sagt viel aus und passt auf gar nicht so seltsame Weise an das vorläufige Ende der Fast-Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland. An seinem heutigen hundertsten Geburtstag gibt es von all seinen mehr als 80 Büchern ein einziges in deutscher Sprache sofort lieferbar: „Spartacus“ in der Ausgabe des Unionsverlages als Taschenbuch. Bücher auf englisch und spanisch kann man einige vorbestellen, die dann wohl erst als Book on Demand gedruckt werden.

 

Der SPIEGEL, der Howard Fast nach dessen Tod in der Ausgabe vom 17. März 2003 immerhin 28 Zeilen widmete, wusste neben natürlich „Spartacus“ plus Film nur „Die Straße der Freiheit“ zu nennen, fand aber dies unbedingt wichtig: „Seine Bücher wurden im sozialistischen Schulunterricht zur Pflichtlektüre.“ Nun weiß man aus Erfahrung, wenn man es weiß, dass selbst die sozialistischsten aller Autoren im Lektüre-Pflichtprogramm nur mit einem Titel vorkamen, jedenfalls in der DDR, nie in der Mehrzahl, was schon eine reine Zeitfrage gewesen wäre, so dass die Vermutung, hier habe sich das übliche Halbwissen des Nachrichtenmagazins dokumentiert, soweit es um die tatsächliche, nicht um die fiktive DDR geht, wohl zutreffen wird. Wie sollten arme DDR-Turbo-Abiturienten wohl mit ausufernder Pflichtlektüre fertig geworden sein, wo sie doch ein Gesamt-Pensum zu bewältigen hatten, unter dem der West-Gymnasiast mit Burn Out zusammenbricht? Und der kann heute sein Kompaktwissen während des Unterrichts, falls er sich nicht an seinem lernbegleitenden Kaltgetränk verschluckt und husten muss, ungestört vom Smartphone lutschen, wo unsereiner, eben der Schiefertafel entwichen, echte Bücher auf schlechtem DDR-Papier zur Hand zu nehmen hatte.

 

WIKIPEDIA zitiert einen Davis Sanders aus der WASHINGTON POST von 1957 mit der Aussage, kein abtrünniger Kommunist vor Howard Fast habe bitterer über seine persönlichen Erfahrungen geschrieben. Die freien Enzyklopädisten haben dabei offenbar Probleme zu wissen, was sie schreiben, denn „The Naked God. The Writer und the Communist Party“ (New York, Praeger 1957) wird unter den Werken korrekt der Gruppe „Non- Fiction und Pamphlete“ zugeordnet, davor aber als Roman bezeichnet. Verblüffend ist etwas anderes. Während sonst jeder Renegat noch gar nicht richtig die Seiten gewechselt hatte und schon auf den Buchmarkt durfte, weil er eben in den Kalten Krieg der Köpfe passte wie die berühmte Faust auf den Eimer, hat die herausragende Qualität der Substanz bei Fast offenbar niemand bemerkt, es gibt das Buch bis heute nicht auf deutsch. Oder war die Bitterkeit doch nicht ganz so passförmig wie andere Bitterkeiten der Überläufer? In der DDR jedenfalls verschwand nach 1957 nicht nur das Werk aus „unseren“ Verlagslisten, auch die historische Darstellung der USA-Literatur in Monographie und Lexikon trug zum Verschwinden aktiv bei. Reclams „Literatur der USA im Überblick“, die überarbeitete Fassung von „Amerikanische Literatur im Überblick“, geschrieben von den beiden Karl-Heinzen der DDR-Amerikanistik, Schönfelder und Wirzberger, wie übrigens auch Meyers Taschenlexikon Amerikanische Literatur hatten nur eine Hauptbotschaft.

 

Howard Fast ist zunächst einer, der seiner Vergangenheit abschwor, dann, etwas ausführlicher, folgt die empörte Verurteilung: „Andere, wie Howard Fast (geboren 1914), versuchten, sich die Sympathien ihrer neuen politischen Freunde durch eine Beichte und durch „Enthüllungen“ zu sichern, ohne dabei zu bedenken, daß sie auf diese Weise den politischen Irrtum auch noch mit einer charakterlich unanständigen Geste besiegelten.“ Es werden, nur mit den amerikanischen Titeln, immerhin vier Werke genannt, die angeblich Bekenntnis waren, das nun fragwürdig geworden sei, weil Fast nach 1957 „mit eben den Kräften zu paktieren begann, gegen die er den überkommenen Geist der Freiheit und Demokratie bislang in Schutz genommen hatte.“ Nicht die Spur eines Nachweises für diese immerhin drastische Behauptung, kein Wort über die nicht genannten zahlreichen Fast-Bücher der frühen DDR-Jahre, die fast alle im Dietz-Verlag erschienen, der sich später aus der Belletristik verabschiedete. Verwandelt sich der Charakter eines Buches tatsächlich durch die spätere persönliche Entwicklung seines Autors? Die Frage stellen, heißt die Absurdität der Annahme evident machen. Die Herren Wirzberger und Schönfelder setzten, wie auch in ihren überaus zahlreichen und oft überaus nervenden Nachworten zu in der DDR erscheinender USA-Literatur, auf unmündige Leser.

 

Die tatsächliche Geschichte von Howard Fast, zu dieser Überzeugung bin ich während der Vorbereitung dieses Geburtstagsbeitrages gekommen, wäre über das Persönliche hinaus als Fallbeispiel von höchstem Interesse. Denn es ist ja eben nicht so, wie die Dumm-Köpfe der DDR-Ideologie immer automatisch unterstellten, dass Menschen, auch Schriftsteller, die ihre Meinung wechselten im Extremfall bis zum Gegenteil ihrer ursprünglichen Ansichten, dies unter dem Einfluss und nur unter dem Einfluss des Klassenfeindes taten und tun konnten. Wer sich aber seine eigenen Bürger nur als unmündig und fast beliebig lenkbar denken kann, sonst wäre ja sein ganzer Aufwand an politisch-ideologischer Arbeit in sich schon sinnlos, wie könnte der ausgerechnet beim Übergang von den „guten“ zu den „bösen“ Überzeugungen annehmen, hier hätte vorher ein Denkprozess auf der Basis von Erfahrungen stattgefunden? Dass diese in ihrem Kern eindeutig menschenverachtende Ideologie gleichzeitig bis zum Ende ihrer Staatlichkeit nicht von der urdämlichen Parallel-Idee eines Klasseninstinktes ließ, zeigt mindestens die eigene Unfähigkeit, ein in sich kohärentes Denkgebäude aufzustellen. Wie aber durchlebte ein Howard Fast diese offenbar tief in sein Leben eingreifende Zeit 1956/1957??

 

1950 veröffentlichte er ein schmales Buch mit dem Titel „Literature and Reality“, das dann 1953 in immerhin zehntausend Exemplaren auch im Berliner Dietz-Verlag erschien, übertragen von Günter Baganz. Es ist Ralph Fox und Christopher Caudwell gewidmet, die ihr Leben im Spanienkrieg verloren und Jahre später auch DDR-Lesern nahe gebracht wurden. Von Ralph Winston Fox (30. März 1900 bis 2. Januar 1937) erschien in der „Studienbibliothek der marxistisch-leninistischen Kultur- und Kunstwissenschaften“ (Dietz-Verlag 1975) der Band „Der Roman und das Volk“, von Christopher Caudwell (20. Oktober 1907 bis 12. Februar 1937) in der mir bis heute sehr wertvollen Reihe der Fundus-Bücher des VEB Dresdner Verlag der Kunst zuerst „Illusion und Wirklichkeit“ (Band 12/13) dann „Studien zu einer sterbenden Kultur“ (Band 32). Das Buch beginnt furios bösartig mit einer geradezu frappierend stupiden und primitiven Attacke gegen Franz Kafka. Nach seiner sich ausschließlich auf „Die Verwandlung“ stützenden Deutung kann man normalerweise nicht weiterlesen, zumal ähnliche Attacken auch auf sprachlich unterster Ebene gegen andere Exponenten der großen spätbürgerlichen Literatur vorgetragen werden. Bösartig könnte man sagen, dass Howard Fast fast niemanden gelten lässt, seine amerikanischen Kollegen von den heute vollkommen unbekannten bis zu den heute immer noch hoch berühmten, werden auf überraschend handstreichartige Weise abgefertigt. Und doch hat man nach 124 Seiten das unabweisliche Gefühl, einem Drama beigewohnt zu haben.

 

Howard Fast hat, die aus seiner Sicht marxistische Darlegung des Verhältnisses von Literatur und Wirklichkeit belegt es, sein Denkvermögen nicht an der marxistisch-leninistischen Garderobe abgegeben. So unbedacht eifrig er bestimmte Quellen selbst aus der Sowjetunion zitiert, so große Schwierigkeiten er spürbar hat im sauberen kategorialen Denken, das ist keinesfalls eine seiner Stärken, so merkt man doch, wie er seine eigenen Regeln befolgt, auch wenn das nicht zu reinen Wunschergebnissen führt. Ich mag es als Indiz sehen, dass er nur ein einziges Mal den Namen Stalins benutzt, was angesichts der Tatsache, dass das Buch 1949 geschrieben wurde, als buchstäblich alle Welt den siebzigsten Geburtstag des Diktators vor Augen hatte, zu dem der Personenkult auch weit außerhalb des Einflussbereiches höchste Blüten trieb, bemerkenswert ist. Fast entwickelt mit allen kategorialen Schwächen, mit begrifflicher Unschärfe oder mangelnder Trennschärfe, man mag sich aussuchen, was der Sache am nächsten kommt, eine Literaturtheorie für eine Literatur, die alle Schwächen der bürgerlichen und früheren Literatur hinter sich lassen kann. Er bekennt sich zum sozialistischen Realismus und sieht gleichzeitig dessen aktuelle Schwächen. Namen, die er aus dem englischsprachigen Raum heranzieht und recht breit würdigt, sind heute vollkommen vergessen, Gwyn Thomas etwa, der Waliser. Dagegen sind die lobenden Passagen zu Mark Twain oder Ralph Waldo Emerson als Vorläufer einer wirklichkeitszugewandten Weltsicht und Literatur durchaus noch zitierbar.

 

Vernichtend urteilt er über John Dos Passos, über John Steinbeck, über Irwin Shaw. Auch jene linken Amerikaner, die den Weg schon früher gingen wie Richard Wright, den Howard Fast erst 1957 vollzog, werden scharf angegriffen. Hier bieten sich zwei grundsätzliche Bewertungen an. Entweder ist Fast wirklich ein böser Zyniker, der tut, was er eben noch verabscheute oder aber, zu dieser Sicht neige ich, er hat es sich schwerer als alle anderen gemacht und es ist ihm sehr bewusst, schmerzlich bewusst gewesen, was er seinen bisherigen Freunden abverlangte an Verständnis. Die Tatsache, dass er nach seinem verbitterten Austritt aus der Kommunistischen Partei nicht seinen neuen Lebensinhalt ganz oder teilweise in publiziertem Antikommunismus fand, spricht mehr für als gegen meine Deutung. Offen bleibt, dass er nun auch Kriminalromane schrieb, die er in „Literatur und Wirklichkeit“ noch in Bausch und Bogen diskreditierte. Ein Satz auf der vorletzten Seite hat einen neuen Sinn bekommen: „Es ist nicht nötig, ein Kommunist zu sein, um heute ein großer Schriftsteller zu sein; aber es ist notwendig, der Wirklichkeit des Kommunismus ins Auge zu blicken.“ Howard Fast hat die Konsequenz aus seiner eigenen von ihm als marxistisch empfundenen Literaturtheorie gezogen, als er genau das tat. Die wirkliche Wirklichkeit und nicht die vorgespiegelte, die geglaubte, die verordnete, die ließ nur noch einen Schluss zu, eine auch parteipolitische Konsequenz.

 

Im letzten Erzählungsband, der noch in der DDR 1957 erschien, behandelt die Titelgeschichte „Das Abendmahl“ einen Fall von großer Beispielkraft. Ein vormals linker Schriftsteller, der es geschafft hat, das äußere Symbol dessen ist sein teures Apartment mit separatem Lift, bekommt eine Vorladung vor den Ausschuss, der sich mit unamerikanischer Tätigkeit befasst. Es ist die Zeit, die bald McCarthy-Ära genannt wird. Der Schriftsteller ist durchaus geneigt, seinen Stolz nicht fahren zu lassen, seine früheren Sympathien für die Kommunisten nicht rundweg zu verleugnen, allenfalls will er vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen, was aber allen Erfahrungen zufolge zum sofortigen Berufsverbot trotzdem oder gerade deswegen führt. Man könnte mit einer gewissen Häme sagen, die Zeit, in der die USA die Rolle des perfekten Unrechtsstaates übernahm, weil die junge kleine DDR sich erst noch dahin einüben musste. Der Schriftsteller gerät in mittlere Panik, sucht Hilfe bei seiner geschiedenen Frau, bei seinem Anwalt, der ihm klar macht, dass er nur eine einzige Chance hat, aus allem herauszukommen, die darin besteht, andere zu denunzieren. Am Ende der Erzählung ist Harvey Crane so weit. Er wird sogar Pat MacIntosh bezichtigen, der eben noch Madaline Briggs gegenüber, mit der Harvey am Abend verabredet ist, in so lobenden Worten von ihm sprach. Er wird sich selbst damit rechtfertigen, nur getan zu haben, was eine guter Patriot tut. Das ist eine ziemlich bittere sarkastische Pointe. Verdienst von Howard Fast dabei, dass er auf das Heben des Zeigefingers verzichtet, er vertraut auf den Entlarvungseffekt des erzählten Geschehens selbst. Die zweite Erzählung des Bandes, „Der Ahn“ führt in die Zeit der puritanischen Gründerväter der USA: ein Land der Verheißung, ein Land ohne Denunziationsgebot.


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