Robert Musil: Grigia

Packungsbeilagen sind für Literatur nicht üblich, jedenfalls keine mit Warnhinweisen auf eventuelle Nebenwirkungen. Es gibt deren recht häufige bei Lesern. Einer sagt: Schade, dass mir das nicht eher in die Finger fiel. Eine sagt: So würde ich auch gern schreiben können. Zwei entdecken, dass man sich gegenseitig vorlesen kann. Dies wären positive, erhoffte, vielleicht sogar anvisierte Effekte. Es wäre aber auch denkbar, dass einer sagt, wie die werde ich nie schreiben können, ich lasse die Finger davon und bleibe in meinem nützlichen Beruf. Es drängt viel zu wenig Leute in die nützlichen Berufe. Eine seltenere Nebenwirkung von Literatur ist, dass sie einen ihrer Interpreten bloßstellt. Robert Musils Erzählung „Grigia“, 1921 zuerst in „Der neue Merkur“ veröffentlicht, dann in das Buch „Drei Frauen“ aufgenommen gemeinsam mit „Tonka“ und „Die Portugiesin“, stellt Rolf Schneider bloß. Schneider, der am 17. April bei hoffentlich guter Gesundheit seinen 85. Geburtstag feiern wird, hat bewiesen, dass selbst Schriftsteller bisweilen nicht in der Lage sein können, einen überschaubaren Text verstehend zu lesen. Hätte er bei einer PISA-Studie seine Inhaltsangabe und seine Erklärungen zu „Grigia“ eingereicht, es hätte das noch unvereinte Deutschland weit hinter Burkina Faso gedrückt, Kommentatoren hätten den Beruf gewechselt.

Zitieren wir zu Lehr- und Forschungszwecken seine Lesart: „Grigia ist der von ihrem Liebhaber erfundene Name einer schönen ladinischen Bäuerin, und dieser Liebhaber ist ein österreichischer Geodät, der sich bei einem Forschungsstab auf der Suche nach Bodenschätzen befindet. Das Liebespaar, beide sind verheiratet, trifft sich in einem aufgelassenen Bergwerksstollen; Grigias Mann versperrt den Stollen, dass die beiden ihn nicht verlassen können; Grigia gelingt am Ende doch noch ein Entkommen; der Mann, vor Hunger völlig entkräftet, wird in dem Stollen verbleiben, von den anderen aufgegeben, von sich selber aufgegeben, einverstanden mit dem eigenen Tode.“ Der pure Textvergleich mit einem anderen Inhaltsabriss spricht bereits für sich: „Homo schließt sich einer Expedition zur Neuaufschließung alter venezianischer Goldbergwerke an. Er verlässt damit seine Welt, Frau und Kind, und gelangt in ein Seitental, in das Dorf am Talende, in das Haus der Bäuerin Grigia, in deren Heustall und schließlich in einen alten Stollen. Der Verengung des Raums (die an die Anfangsstruktur des Törleß erinnert) entspricht die Verlangsamung der Zeit, die zum Stillstand kommt, als am Schluss der verschlossene Stollen zum Grab Homos geworden ist.“ Verfasser dieser Zeilen ist Helmut Arntzen (10. Januar 1931 – 26. November 2014).

Lassen wir beiseite, dass weder in Heuställen, Stollen noch angesichts von Gräbern oder sonst je die Zeit zum Stillstand kommt, der Törleß ist übrigens eine Titelfigur bei Musil, „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ sein bekanntestes und am meisten verbreitetes Buch, gefolgt von „Drei Frauen“, das aber nur nebenbei. In „Grigia“ gibt es auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Mann, dem der Name Homo verliehen wurde von seinem Schöpfer, von Beruf oder Passion Geodät ist, es gibt auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die Bewohner des Tales, in dem der Versuch begonnen wird mit amerikanischem Kapital und einer kleinen unternehmungslustigen Gruppe von miteinander bekannten, zum Teil befreundeten Männern, Ladiner sind. Ladinisch ist eine Sprache, die zum Romanischen gehört, das Fersental aber, in dem Grigia lebt nach dem Willen ihres Schöpfers, ist eine Enklave des Deutschen, die Menschen dort sprechen einen uralten Dialekt, den die Isolation erhalten hat. Dietmar Grieser, als Reisender unterwegs zu „Schauplätzen der österreichischen Literatur“, ist über Salurn, wo sich die Sprachgrenze fast auf den Meter genau auch heute noch hören und erleben lässt, und Trento ins Fersental gereist und hat noch einen alten Pfarrer getroffen, der das Zusammenstellen eines bewahrenden Wörterbuchs als Lebensaufgabe verfolgte.

Derjenige, der „Grigia“ zuerst veröffentlichte, war übrigens Efraim Frisch (1. März 1873 – 26. November 1942), Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „Der neue Merkur“. Er legte 1894 in Brody seine Reifeprüfung ab, just in dem Jahr, in dem dort Joseph Roth geboren wurde. Um Folklore, gar Sprachfolklore, ging es natürlich weder ihm noch Robert Musil. Noch ein Zitat von Rolf Schneider: „Bei „Grigia“ sind die persönlichen Erlebnishintergründe deutlicher als bei der „Portugiesin“. Die Atmosphäre des Prospektorenlagers ist in Wahrheit jene der militärischen Etappe während des ersten Weltkrieges, und Musils Aufzeichnungen aus dieser Zeit werden wenigstens in einer Episode wörtlich in die Novelle übernommen: das dumpfe Hinbrüten der Männer über dem Sterben einer Fliege kommt aus dem Kriegstagebuch. Substantiell bietet „Grigia“ nur eine Spiegelung des Untreue-Motivs, und dass die weibliche Hauptfigur einer alten österreichisch-ungarischen Nationalität entstammt, rückt sie in die unmittelbare Nähe der dritten Geschichte, zu der sie sich als eine Art Variante verhält.“ Kann ein Schriftsteller tatsächlich so an Literatur herangehen? Es gibt im Text kein Prospektorenlager, weil es auch keine Prospektoren gibt, das nämlich wären Männer, die unbekannte Lagerstätten erkunden, hier aber geht es um bekannte.

Es scheinen Kleinigkeiten zu sein, doch hat Rolf Schneider diesen Unfug ja nicht irgendwo zu Papier gebracht, sondern in dem als Kommentarband zur dreibändigen DDR-Ausgabe von „Der Mann ohne Eigenschaften“ verfassten Essay „Die problematisierte Wirklichkeit. Leben und Werk Robert Musils“. Den ich irgendwann sogar einmal lobend erwähnte, weil er sich, wenn man seine Befunde nicht mit den Texten von Musil selbst abgleicht, durchaus als angenehm lesbar erweist. Wenn Musil auf seine Kriegstagebücher zurückgriff, selbst wenn er wörtlich das eine oder andere von dort übernahm, beweist das natürlich nichts, aber auch gar nichts über eigentlichen oder uneigentlichen Gehalt des Textes. Die übrigens eindrucksvolle kleine Passage über das Sterben einer vom von der Decke hängenden Fliegenfänger abgestürzten Fliege auch nicht. Wenn ich in ein Buch über das Fischen einen Satz aus einem Buch über das Autofahren übernehme, bedeutet dies ja keineswegs, mit Fischen sei eigentlich Autofahren gemeint. Just das aber behauptet Schneider, wenn er vom Erlebnishintergrund schreibt. Dietmar Grieser hat in Palai sogar ein Grab gesehen für eine Lene Maria Lenzi mit den Lebensdaten 12. 2. 1886 – 8. 11. 1941, doch wäre auch hierzu jede Folgerung, es handle sich um exakt jene Grigia der Erzählung, vollkommen abenteuerlich.

Allein der Gedanke, dass ein verheirateter Schriftsteller Dr. Robert Musil, dessen damalige Ehefrau Martha sogar ein Zimmer in der Nähe seines Dienstortes bezogen hatte, ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau nicht nur unterhielt, sondern in der späteren angeblichen Beschreibung dieses Verhältnisses deren tatsächlichen vollen Namen verwendet haben soll, ist absurd. Ihm werden Namen und Umstände sicher im Gedächtnis geblieben sein, wenn er dort länger als Offizier diente. Und da die Erzählung „Grigia“ zu nicht geringen Teilen eben von den Besonderheiten dieser winzigen Minderheit unter Italienern handelt, sind Details natürlich von substantieller Bedeutung. Historisch hat dieses Völkchen unter Mussolini und unter Hitler und den Folgen, die sich aus allem ergaben, enormes Leid erfahren. Der erste italianisierte brachial, der zweite lockte zur Umsiedlung ins Böhmische 1942 und schon drei Jahre später mussten alle Umgesiedelten von dort wieder zurück in ihre alte Heimat, wo ihr Eigentum inzwischen nicht mehr ihr Eigentum war. Davon steht bei Robert Musil natürlich kein Wort, weil es sein Thema 1921 gar nicht sein konnte. Nur muss halt ein Reisebericht wie der von Dietmar Grieser, der zur „Grigia“ im Grund fast nichts beiträgt, ja irgendwie gestreckt und gefüllt werden. (Nichts gegen Grieser, ich lese seine Bücher sehr gern.)

Helmut Arntzen, von dem zwei umfängliche Kommentar-Bände zu Musil stammen, schrieb zu „Grigia“ dies: „Es wird darin so erzählt, wie es den Vorstellungen entspricht, die man wohl bis heute von bedeutendem Erzählen hat.“ Was will das sagen: Wird es Zeit, sich von solchen Vorstellungen zu verabschieden? Hat ab Punkt Alpha etwas anderes als bedeutendes Erzählen zu gelten? In der Tat ist Robert Musil in „Grigia“ Erzähler im Wortsinn. Erzähler im Wortsinn sind Menschen, die genau das zur Kunst machen, dem man die Kunst nicht anmerkt, was andere, um die sich in beliebigen Großgruppen Hörer scharen, auch als Kunst beherrschen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ein Erzähler fängt an und der Faden seines Erzählens läuft ab, dass er vom Hundertsten ins Tausendste gerät, gehört zu seinem Tun, dass er aus den Augen verliert und in die Augen bekommt, was ihm währenddessen assoziativ zuwächst, gehört dazu, ist weder Marotte noch Unfähigkeit. Manchmal sage ich, die Prise Eitelkeit sei verziehen, ich brauche nicht mehr als einen Anfang, der Rest schreibt sich von allein. Robert Musil beginnt mit der Krankheit des Kindes und dem schuldbewusst empfundenen Unwillen, das Kind zur Kur zu begleiten. Und noch davor gibt es einen Einstieg, der scheinbar aus dem ganz alten Erzählen kommt, die vorgezogene Moral.

Die natürlich keine Moral im alten Sinn ist. So aber geht es los: „Es gibt im Leben eine Zeit, wo es sich auffallend verlangsamt, als zögerte es weiterzugehn oder wollte seine Richtung ändern. Es mag sein, dass einem in dieser Zeit leichter ein Unglück zustößt.“ Es ist nicht ganz von der amerikanischen Art von „Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss.“, aber es ist auch aus keiner anderen Welt. Alles Folgende exemplifiziert in diesem Erzählen den Beginn, man könnte überfrachtend vom Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten reden, hätte damit vier Philosophen als Leser gewonnen und sehr viele andere sofort verloren. Musil gibt dem Zufall eine Chance. Noch während sein Held mit dem komischen Namen Homo seinem schlechten Gewissen eine Chance gibt, bekommt er eine Aufforderung von einem Mann mit dem noch komischeren Namen Mozart Amadeo Hofingott, an der Goldsucher-Expedition nicht nur teilzunehmen, sondern sich auch zu beteiligen. Er ist also, das heißt das natürlich auch, kapitalkräftig genug für Beteiligungen im, wie wir heute sagen würden, Risikokapitalgeschäft. Hilft es uns, wenn wir wissen, dass Musil einen Kriegskameraden hatte, der tatsächlich Hofingott hieß? Die Frage stellen heißt sie abschlägig beantworten. Homo folgt dem Ruf und wir wissen, dass er die Ausrede brauchte vor sich selbst.

Siegfried Rönisch, Lebensdaten Mangelware, in der DDR Herausgeber und Autor, schrieb für den Sammelband „Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts. Einzeldarstellungen“ (1988) den Beitrag über Musil und dort dies: „In wesentlichen Aspekten noch stark den Intentionen des Vorkriegsschaffens verpflichtet, sind in diesen Werken die überaus sensiblen psychologischen Analysen von Partnerschaftsbeziehungen fortgeführt, die mit den beiden Prosatexten des Bandes „Vereinigungen“ (1911) thematisch eröffnet worden waren. Eine neue Moral, und das meinte unzweifelhaft auf der Grundlage eines neuen Zeit- und Gesellschaftsverständnisses, wird noch kaum sichtbar.“ Sollte das ein Vorwurf sein? Sollte das kurzschlüssig glauben: Krieg alle, Moral neu, nur dummer Musil merkt das nicht? Just so dachte es tatsächlich in manchem DDR-Kopf. Ist überaus sensibel eher positiv oder eher negativ, ist das als mimosenhaft zu lesen? Am Text geht das alles deutlich und strammen Schrittes vorbei. Denn Homo erfährt keineswegs nur Landschaft, Liebe, sexuelle Praxis, er erfährt sich und das auf eine Weise, die sich unendlich wohltuend von allem tiefenpsychologischen Selbstdeutungsquark unterscheidet, der im handlungsfreien deutschen Allzeit-Roman gern für Tiefe genommen wird. Er erfährt nicht Trennung, sondern Trennbarkeit.

„Homo staunte sehr über diese neue Eigenschaft der Trennbarkeit, ohne dass mit seinem Wissen und Willen je etwas von seiner Liebe abhanden gekommen wäre.“ Das ist eine ganz andere Situation als jene, die man so bis zum Überdruss kennt: der Mann sucht sich nur eine ihn möglichst bestätigende Begründung für seine Abwege. Die Abwege müssen zu Wegen werden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass hinter allem im Tiefsten tatsächlich auch Selbstrechtfertigung von Musil für Musil steht. Bei Helmut Arntzen lese ich: „Die Frage nach dem Schriftsteller Robert Musil wird nicht beantwortet durch den Versuch, seine Biographie zu rekonstruieren. Vielmehr ist alles Biographische hier nur der Anlass für den Prozess des Schreibens. Musils Werk ist nicht die Verschlüsselung seiner Lebensgeschichte, die der Interpret wieder zu entschlüsseln hätte. Seine ganze Bemühung zielt auf die Verwandlung der trivialen biographischer Begebenheiten mit ihren sozialen, psychischen, ideologischen Kontexten in literarische Bedeutung.“ Ich habe den Verdacht, Arntzen könnte hier nebenbei auch einem Urphänomen intellektuellen Lebenszweifels auf die Spur gekommen sein. Das Triviale erdrückt mit all seiner realen Alternativlosigkeit, das Triviale steht nicht mit vorgehaltener Nummer 3 hinter der Scheibe zum Identifizieren, es ist allein, ganz allein.

Einer wie Homo in „Grigia“ ist mit dem Wundern fast vollauf beschäftigt, dem Erzähler wie dem Helden geraten Frau und Kind rasch aus dem Blickfeld. Worüber wundert er sich? „ … es gab Häuser, die einst auf einem Hügel und jetzt am Rand eines Abgrunds standen, ohne dass sie etwas dagegen taten“. Haben wir uns nicht alle gewundert, wenn wieder eine der Katastrophennachrichten zur Frage führte: Warum gehen Menschen da nicht weg, wo allweil Lava fließt, allweil Lawinen abgehen, Flüsse alles wegschwemmen? Musils Homo erlebt, dass das keine Frage der Reflexion ist. „Wenn sie warten mussten, setzten sie sich nicht auf den Wegrand, sondern auf die flache Erde des Pfads und zogen die Knie hoch wie die Neger.“ Das meint die Frauen des Dorfes, die sich willig und freudig als Lastenträgerinnen anstellen lassen, in der wirklichen Geschichte bekamen 13 von ihnen sogar ein eisernes Kriegsverdienstkreuz, wie ermittelt worden ist. „Er wurde es nicht mehr los, dass dieses Leben, welches heller und würziger war als jedes Leben zuvor, gar nicht mehr Wirklichkeit, sondern ein in der Luft schwebendes Spiel sei.“ Homo bewegt sich, darf man glauben, jenseits von Schuld, aber auch diesseits von Schicksal. Die Frauen im Dorf haben nicht nur eine besondere Art, sich zu setzen, ihre Röcke zu tragen, sie treiben auch die Liebe auf ihre Weise.

„Die Frauen schließen die Augendeckel und machen ein ganz steifes Gesicht, eine Schutzmaske, damit man sie nicht durch Neugierde stört; sie lassen sich kaum ein Stöhnen entreißen, regungslos wie Käfer, die sich tot stellen, konzentrieren sie alle Aufmerksamkeit auf das, was mit ihnen vorgeht.“ Grigia wird irgendwann von Nachreden ereilt, die im Dorf über sie verbreitet werden, sie reagiert dennoch nicht panisch, sie versucht einfach, die Beziehung zu beenden. Und Homo, das Ende der Erzählung, das sein Ende zwar andeutet, mehr aber nicht, zeigt es, hat ein Schuldgefühl, sieht das ihm Geschehende als das ihm Zustehende. Der Ehemann Grigias kommt in der Erzählung aus dem Nichts, wenn er es denn wirklich ist. Im Dorf, das ist nun eine der trivialsten Trivialitäten, bleibt nichts geheim. Noch einmal Rolf Schneider: „Der männliche Held von „Grigia“ trägt den Namen Homo: Mensch also, aber auch Mann. Sofern diese Benennung auf eine verallgemeinernde Repräsentanz zielt, kann sie nur für den morbid-kultivierten Vertreter österreichischer Spätbürgerlichkeit beansprucht werden. Solcher Anspruch wird aber dann auch eingelöst. Homo bewegt sich im Milieu der armen Bergbauern mit der selbstverständlichen Forderung auf beliebiges Verfügenkönnen. Die Bauern sind billige Hilfsarbeitskräfte. Ihre Frauen sind sexuelles Freiwild.“

Nein, davon ist im Text weder etwas zu lesen noch aus ihm zu interpretieren. Ernst Fischer, der österreichische Marxist, der zur Unperson wurde, fand in seinen mehr als fünfzig Seiten über Robert Musil, 1957 zuerst in „Sinn und Form“ gedruckt, gerade eben einen Satz zu Grigia: „In der „Grigia“ und der „Portugiesin“ verschwimmt das Geschehen in Stimmung und Lyrik, und trotz der Kraft und Anmut, mit der vor allem die Grigia gestaltet ist, fühlt man sich unbefriedigt.“ Da hätte man gern mehr gelesen, es hätte die Fehldeutung offenbarer gemacht, denn Arbeit am Text war Fischers Sache wenigstens hier auf keinen Fall. Man könnte etwas hinterhältig dazu Franz Blei zitieren: „Aber es ist der Mittelmäßigkeit eigentümlich, dass sie die Versöhnung des Sozialen mit dem Individuellen in der Politik findet, sie ist auch danach.“ Das steht in seinem Musil-Porträt zum Schluss. Und vorher: „Musil wird nie das werden können, was man populär nennt. Denn wir besitzen zwar eine riesige Organisation zur Ausbeutung der Schwäche der Massen, aber gar keine zur Exploitierung der Intelligenz der wenigen.“ Musil aber schrieb so etwas: „Der Bach fiel einmal mitten im Wald über einen Stein so, dass er aussah wie ein großer silberner Steckkamm. Er beantwortete nicht mehr die Briefe seiner Frau. Zwischen den Geheimnissen dieser Natur war das Zusammengehören eines davon.“ Das muss reichen 75 Jahre nach seinem arg frühen Tod.


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