Elias Canetti. Versuch eines Versuches

Warum nicht mit dem Eingeständnis eigener Ohnmacht beginnen? Jahre ist es her, da ich berufsbedingt sehr oft mit dem Bus fuhr, phasenweise täglich, und dabei eine wiederkehrende Beobachtung machte. Einmal aufmerksam geworden, achtete ich auch in anderen Buslinien auf das Phänomen und siehe, es wiederholte sich. Es schien so zu sein, als ob es für jede Linie einen oder mehrere Menschen gab, die jeweils zuletzt einstiegen, beim Fahrer stehen blieben und sofort begannen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Ungeachtet der auch damals schon üblichen Schilder mit dem Hinweis, dass derartige Gespräche verboten seien. Verglichen mit diesem, sagen wir: Privileg, genoss ich nur bei einem einzigen Busfahrer je eines: der hielt, wo immer ich stand, mit seiner Zustiegstür genau vor meinen Füßen. Das war in Suhl und an einer Haltestelle, die es längst nicht mehr gibt, seit Suhl einen richtigen Busbahnhof hat und das ist schon ziemlich lange der Fall. Es kam mir also der Gedanke, den Mann neben dem Busfahrer als einen Charakter zu schildern, wie etwa Theophrast Charaktere geschildert hatte und - Elias Canetti. Kaum aber hatte ich die ersten jener fünfzig Charaktere unter dem Titel „Der Ohrenzeuge“ gelesen, erschien mir mein Unterfangen eitel, ich räumte mir umstandslos ein: so wirst du das nie können, lass also die Finger davon.

Ähnliches könnte ich heute von seinen „Aufzeichnungen“ beschreiben. Die Versuchung ist größer als bei den Charakteren und natürlich kann ein jeglicher seine Aufzeichnungen machen, manche nennen das dann Tagebuch, wobei Canetti selbst genau unterscheiden wollte zwischen Tagebuch und Aufzeichnungen und das auch nachvollziehbar begründete. Von seinem Text „Dialog mit dem grausamen Partner“, Canetti hasste das Wort Text, wie er auch das Wort Diskurs hasste, ich teile nur die zweite Phobie mit ihm, soll hier lediglich der Titel genannt sein, es gibt andere Stellen zur Sache, die hier ebenfalls nicht gesucht werden. Tatsache aber bleibt mir, dass mich der Erstkontakt mit seinen Aufzeichnungen wiederum zugleich erhob und entmutigte. Erhob, weil ich immer wieder auf Gedanken stieß, die meine hätten sein können, entmutigt, weil die frappierende Prägnanz, mit der Canetti sie formuliert hatte, nicht erlernbar ist. Man kann es, man kann es nicht. Elias Canetti hat, was umwerfend ist, das schlichte Bestreben, verständlich zu schreiben, der sprachliche Auerbach-Salto mit gehockter Schraube, kombiniert mit auf Wittgenstein und/oder Hofmannsthal fußendem Sprachzweifel, war nicht seine Sache, er wollte es luzide, dem Wort vertraute er. 25 Jahre nach seinem Tod am 14. August 1994 ist er nicht vergessen, aber bisweilen heftig missverstanden.

Das Missverständnis kann schon darin liegen, dass seine Aufzeichnungen, die Titel tragen wie „Die Provinz des Menschen“, „Das Geheimherz der Uhr“, „Die Fliegenpein“, aber auch, für die späten, sehr schlicht „Aufzeichnungen 1992 -1993“ wie ein Steinbruch gesehen werden, aus dem beliebig gebrochen werden kann. Es gibt, lässt man, das bereits dreist, seine Kernthemen beiseite, in all diesen und weiteren Büchern einen scheinbar unerschöpflichen Zitatenschatz zu allem und für jeden, man kann gar Canetti mit Canetti widerlegen, kann Canetti gegen Canetti ausspielen. Es gibt den Typus des Ordo-Kritikers, der immer zuerst fragt, um was für eine Art Text es sich handelt und der dann, wenn er sich in seiner überflüssigen Fragestellung hinreichend verfangen hat, des langen und breiten von Heterogenität zu fabeln beginnt. Als wäre Homogenität ein Wert für sich, als wäre es wirklich wichtig, ob Aphorismen echte sind oder nur so aussehen. Peter von Matt, der Schweizer, hat in seinem Buch „Das Schicksal der Phantasie“ die Arbeit „Der phantastische Aphorismus bei Elias Canetti“ ans Ende gestellt. Es sind nur acht Druckseiten mit vier Anmerkungen in der ärgerlichen Minischrift, mit der der Deutsche Taschenbuch Verlag seit Jahren die wunderbaren Bücher von Matts schmaler zu halten sucht, Seiten jedoch mit Genusswert, weil präzise und tief.

„Der echte Aphorismenschreiber“, heißt es dort, „ist ein seltener Geselle. Für ihn ist der Aphorismus nicht das fertige Resultat eines Denkens, sondern das dramatischer Zeugnis des Denkprozesses selbst. Das Denken kristallisiert sich unverhofft, mitten im Vollzug.“ Klar, dass das zielgenau auf Canetti gemünzt ist: „Der authentische Aphorismus ist also erkennbar an der Denktätigkeit, in die er den Leser zwingend versetzt.“ Mehr muss zu dem, was „Aufzeichnungen“ heißt, streng genommen nicht gesagt werden. Man kann an beliebigen Stellen der Bücher beliebige Proben nehmen und wird Peter von Matts Diagnose bestätigt finden. Erklärt ist damit allerdings auch im Nebeneffekt die Zurückhaltung der Leserschaft Canetti gegenüber. Dass er die längste Zeit seines Lebens erfolglos war, sei nur erwähnt, dass auch die zahlreichen Preise, die irgendwann zu ihm kamen, daran wenig änderten, ebenso, erst die drei Bände seiner Lebensbeschreibung: „Die gerettete Zunge“, „Die Fackel im Ohr“ und „Das Augenspiel“ waren etwas wie Bestseller und der Nobelpreis 1981 zog etwas wie Popularität nach sich, die wirklichen Abräumer blieben stets andere.

Der SPIEGEL-Anonymus des Nachrufs vom 22. August 1994 drückte es so aus: „Seine Nische oder Säule hat er in der deutschen Literatur dieses Jahrhunderts nie gefunden.“ Und: „Sein Werk ist von jener Art, dass es eher bewundert als geliebt wird.“ Von Werken dieser Sorte ist vor allem die Geschichte der deutschen Literatur voll, auch in anderen Sprachen ist es nicht anders: Man schaue sich Bestseller-Listen an und Auflagenhöhen: ein Exemplar aus der ersten 500er Probeauflage des ersten Harry-Potter-Bandes geht für fünfstellige Summen über den Ladentisch, das ist das Jahresbudget kleiner und noch kleinerer Verlage, wir reden nicht von Rosamunde Pilcher oder gar Barbara Cartland. Thomas Rothschild, Anfang Juli 77 Jahre alt geworden, schrieb in seinem Nachruf „Die Frist ist abgelaufen“: „Ein größeres Publikum erreichte Canetti erst mit seiner mehrbändigen Autobiographie. Wohl kaum, weil sie seine bedeutendste Arbeit wäre, sondern weil der von unserer Illustrierten- und Tratschkultur gepflegte Blick ins Intime, die Sehnsucht nach dem „Wirklichen“ die Mühe der Auseinandersetzung mit dem artistisch formulierten Fiktiven, die Denkanstrengung, die ein umfangreicher Essay erfordert, längst ersetzt hat.“ Krasser Fall, der krasseste, den ich kenne, dafür ist „Das Monster von Hampstead und seine Frau“ von Willi Winkler.

Mehr als zweieinhalb Floskeln hat Winkler für Elias Canettis Werk nicht übrig, aber er kann sich gar nicht genug ergehen in lustvollen Unterstellungen, Negativdeutungen und regelrecht fragwürdigen Mutmaßungen. Das funktioniert freilich nur, indem er die Arbeit an „Masse und Macht“ kleinredet, zugunsten seiner These vom faulen und trägen Canetti annimmt, es stimme gar nicht, was darüber sonst überall gesagt ist. Dafür sondert Winkler seltsame Behauptungen ab wie: „Die „Dreiecksgeschichte“, als die der Verlag den Briefwechsel ankündigt, ist keine, denn Georges ist schwul.“ Als schlösse das ein Dreieck aus. Und schreibt, als gäbe es keine Ächtung des Wortes: „Veza war verkrüppelt“. Er bewegt sich damit auf dem Niveau jener seltsamen Antifaschisten, die an Joseph Goebbels immer zuerst seinen Klumpfuß erwähnen. Das Buch „Briefe an Georges“ (Hanser München 2006) war bei Willi Winkler definitiv in den falschen Händen. Was keineswegs bedeutet, die komplizierte Ehegeschichte von Elias und Veza Canetti sei zu beschönigen. Doch ist es auch rein journalistisch mehr als fragwürdig, das Zitat von John Bayley, betrogener Ehemann von Iris Murdoch, der zeitweiligen Geliebten Canettis und jetzt wieder neu entdeckten Autorin, in den Titel zu nehmen, ohne dort das Zitat etwa durch Anführungszeichen als Zitat zu kennzeichnen.

Doch Schluss mit Willi Winkler, die LITERARUREN, die seinen schäbigen Erguss druckten, haben andere und klar bessere Beiträge zu Elias Canetti veröffentlicht. Zu nennen wären als Autoren Franz Schuh, der Österreicher, und Ralph Dutli, der Schweizer, der in Kürze seinen 65. Geburtstag feiern kann. Zitat Franz Schuh: „Seine Art, mit ausgesuchter Hochachtung von Dichtern zu sprechen, die ihm etwas bedeuteten, halte ich für vorbildlich.“ Aber: „Die extreme Hochschätzung, die hochgestochene Wertschätzung für die einen setzt bei Canetti die Fähigkeit zum Verachten voraus“. Da Canetti nicht wenige Große seiner Zeit verachtete oder gar einfach komplett ignorierte, zog er sich unvermeidlich den schiefen Blick aus den Fangemeinden der jeweils Verachteten zu. Marcel Reich-Ranicki hat in seiner Autobiographie „Mein Leben“ die nicht für jeden hübsche Anekdote überliefert, wie er versuchte, Canetti ein Beitrag über Heinrich Böll zu entlocken. Canetti weigerte sich mit der brieflichen Erklärung: „Ich bin in der peinlichen Lage eines Ignoranten, der sich mit dem Böllschen Werk nicht hinreichend befasst hat. Eigentlich müsste ich mich vor seinen sieben Millionen Lesern schämen, die ihn besser kennen als ich.“ Reich-Ranicki kommentiert: „Canetti wollte andeuten, dass ich ihm ein Thema zugemutet hatte, das seiner nun doch nicht würdig sei.“

Dass Reich-Ranickis Äußerungen zu Elias Canetti, den er schon 1964 in Frankfurt am Main kennen lernte und dann bald in London besuchte, eine eigene Betrachtung wert sind, versteht sich für mich und genau deshalb unterlasse ich es. Es gibt das schöne Canetti-Diktum: „Man muss aufhören, bevor man alles gesagt hat. Manche haben alles gesagt, bevor sie beginnen.“ Außerdem will ich noch Ralph Dutli zitieren, geschrieben zum Canetti-Buch „Über die Dichter“, das Peter von Matt 2004 im Hanser-Verlag herausgab: „Man möchte dieses kleine Buch dauernd mit sich sich herumtragen, weil es mit einer Radikalität von Literatur spricht, wie sie in dieser medial versuppten Zeit von buntem Fernguck-Allerlei und harmloser Warmluft des Empfehlungsgehechels und der Herzenserweichung gar nicht mehr vorkommt.“ Und noch einmal Dutli, weil es so gut ist: „Bei Canetti hat Literatur jene quasi-religiöse, existenzielle Wucht, nach deren Notwendigkeit man sich sehnt, wenn man das Gequassel über literarische Eintagsfliegen satt hat.“ Dies Wort in Gottes Gehörgang, möchte man rufen und jenen Canetti zitieren, der bereit war, Tolstoi als Gott zu sehen, denn Gott als Gott wollte ihm wenig sagen. Der Schweizer Iso Camartin, im März 75 Jahre alt geworden, gehört für mich ebenfalls in die Reihe derer, deren Wort zu Canetti mir wichtig wurde.

Camartin sah Canetti oft in Zürich, sprach ihn aber nie an: „Man stört nicht die Fährten und Kreise eines Genies der Weltbeobachtung.“ „Canetti war nicht der Besser-, aber der Genauestwisser unter dem Himmel von Zürich. Und der Himmel von Zürich ist nicht so klein, wie er manchmal scheint.“ „Man hat sich daran gewöhnt, in regelmäßigen Abständen mit den gescheitesten Sätzen in deutscher Sprache von ihm bedient zu werden.“ „Ohne Canetti leben, das heißt: ohne den Sprengmeister in Kopf- und Lebensangelegenheiten auskommen. Man möchte dem Tod an die Gurgel.“ Das ist mehr als wohlfeile Nachruf-Rhetorik. W. G. Sebald erinnerte nach Canettis Tod an einen gemeinsamen Flug von Zürich-Kloten nach London, das Gespräch über Kingsroad und Burton Road in Manchester und die Erzählung vom Tod seines Vaters, „die ich sieben Jahre später wiederfand in den ersten Seiten der „Geretteten Zunge“ und die mir denkwürdig geblieben ist wie wenig sonst in der neueren Literatur“. Von Sebald gibt es die kleine Studie „Summa Scientiae. System und Systemkritik bei Elias Canetti“, die mir nicht das stärkste zu sein scheint, das Sebald schrieb. Dort steht: „Lernen scheint Canetti identisch mit dem Leben selbst, so wie es sein sollte.“ Wenn es so wäre, wofür viel spricht, dann wäre das eine Sicht auf Leben, die zur Übernahme aufruft.

Ein Blick auf die längst sehr lange Liste all dessen, was über Elias Canetti im Lauf der Jahrzehnte geschrieben wurde, gewährt eine leise Überraschung: die allererste Besprechung seines ersten und einzigen Romans „Die Blendung“, heute unter die Jahrhundertbücher gerechnet, erschien in der Neuen Zürcher Zeitung am 12. Januar 1936, ihr Verfasser: Hermann Hesse. So gern ich sonst bei Hesse nachlese, weil es, beispielsweise für Gottfried Keller, einfach guten Stoff liefert und immer prägnante Aussagen, so weit lag mir der Gedanke fern, ihn ausgerechnet zu Elias Canetti zu konsultieren und tatsächlich, es scheint seine einzige Äußerung zu ihm zu sein. Vollkommen begeistert war Hesse nicht, aber klar sein Urteil über die Fähigkeiten des Jungautors Canetti: „Es gibt manchen Erzähler, den ich als Dichter viel höher stelle, und der an diesem Autor viel lernen könnte – soweit eben das Dichten erlernbar ist. Man bewundert diesen neuen Erzähler darum, dass ihm niemals der Atem ausgeht; aber eben dieses lückenlos vollkommene Funktionieren hat auch etwas Unvertrautes, der Rhythmus des Buches erinnert oft weniger an Atemzüge als an Motorengeräusch.“ Dass die wirkliche Wertschätzung des Romans erst mit seiner dritten neuen Veröffentlichung 1963 langsam einsetzte, sagt sehr viel über das Urteilsvermögen von Hesse.

Viel über schlampige Recherche elementarer Tatsachen verrät der Beginn von Günter Blöckers Kritik zu Canettis „Aufzeichnungen 1942 – 1948“: „In drei Anläufen hat Elias Canetti, der in Rumänien geborene, in Wien aufgewachsene, in London lebende Schriftsteller spanisch-jüdischer Abkunft, während der letzten Jahre das deutsche Publikum zu erobern versucht: 1960 als Kulturkritiker mit seiner großen Studie „Masse und Macht“, 1963 als Erzähler mit seinem Roman „Die Blendung“, 1964 als Dramatiker mit einer Ausgabe seiner Bühnenstücke. Jeder dieser Versuche hat ihm Bewunderung eingetragen, keiner Popularität.“ Nur ist Canetti eben nicht in Rumänien, sondern in Bulgarien geboren, nur ist Canetti eben nicht in Wien aufgewachsen, von den ersten 16 Lebensjahren hat er ganze drei dort verbracht und „Die Blendung“, nun ja, war eben 1963 schon ein ziemlich altes Buch, wegen der Zeitumstände in Deutschland zwar unbekannt, doch 1963 eher ein abermaliger Versuch seines Verlages als seines Autors. Und die Publikation der Stücke, ganze drei hat Canetti in seinem Leben geschrieben, führte immerhin dazu, dass ab Mitte der 60er Jahre deutsche Uraufführungen folgten (österreichische meist später), ein Hauptverdienst hierbei hat der 1933 geborene Regisseur Hans Hollmann, ein Österreicher mit Schweizer Bürgerrecht.

Günter Blöcker pickte sich, wie alle Leser von Aufzeichnungen Canettis, heraus, was ihm eben in den Kram passte und mir passt eben in den Kram, seinem wehmütigen Neid angesichts dieses Satzes zu widersprechen: „Wann immer es den Engländern schlecht geht, packt mich eine Bewunderung für ihr Parlament“. Gut, dass Canetti dieses Parlament nicht erlebte, als es mit dem Brexit umzugehen begann. Man könnte allerdings auch folgern, dass es den Engländern gar nicht schlecht geht, dann wäre die Bewunderung unbefristet bis zum Widerruf auszusetzen. Günter Blöcker ging zweifellos fehl, wenn er diesen Superlativ auf Canetti münzte: „Ganz ohne Vergleich aber ist Canetti überall da, wo ihm jener Sprung ins Imaginäre gelingt, der den Gedanken in der Vision zu Ende führt.“ Ob Canetti das je las und wie er es aufnahm, würde mich interessieren. Gustav Seibt wusste nach dem Tod des Nobelpreisträgers: „Die Neuauflagen der „Blendung“ stießen in den sechziger Jahren noch auf gequälte Kritiker, die vor allem die erlösende Komik des Romans verkannten.“ Ein Willi Winkler etwa, der Canetti jeden Humor absprach, hätte gar keine Komik entdecken können, weil sie ihn selbst widerlegt hätte. Aber das war Jahre später. Seibt: „Alle, die Canetti in den letzten Monaten sahen, sprechend von seiner begeisternden Lebendigkeit.“

Dies ist nun die zweite Stelle für ein Bekenntnis eigener Ohnmacht. Sie betrifft meinen Plan, diesen kleinen Gedenkbeitrag dem Thema „Canetti in Rustschuk“ zu widmen. Das hätte gute Gelegenheit geboten, dem wunderbaren ersten Kapitel von „Die gerettete Zunge“ näher zu treten, das gemeinhin kaum erwähnt wird, manche vergessen sogar den Hinweis, dass der kleine Elias in ausgesprochen wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs, man hält sich stattdessen gern an der Vielsprachigkeit seiner Kindheitswelt fest. Das hätte gute Gelegenheit gegeben, ein paar Worte über die monumentale Biographie von Sven Hanuschek zu verlieren, dem Rustschuk immerhin etwas mehr Platz wert war. Ich hätte „Die Donau“ von Claudio Magris aus dem Italien-Regal holen können, dort hat Rustschuk einen eigenen Platz und das Geburtshaus von Canetti dazu. Doch dann wäre auch von anderem zu schreiben gewesen, den DDR-Perspektiven auf Canetti etwa, verkörpert vor allem durch Annemarie Auer, aber auch Rudolf Schottländer oder, knapp, Richard Christ. Ein Ausblick auf 2024 wäre kaum vermeidlich gewesen: dann läuft die letzte testamentarisch verfügte Sperrfrist für Canettis Nachlass aus. Also Rustschuk allein hätte auch nicht funktioniert. Vielleicht ist dies ein guter Schluss: „Er will gesucht sein, um sich besser zu verbergen.“ Das findet sich weit hinten in „Die Fliegenpein.“


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