Böse Post vom Kräutergarten*

Ilmenau. Man sah ihm sogar ein wenig Anspannung an, ehe es losging. Dann aber lief es wie Schmidts Katze im Curie-Hörsaal in der Weimarer Straße: Matthias Biskupek auf erbetenem Exkurs in die eigene Vergangenheit füllte die sechzig Minuten, die er auf seiner Homepage ausdrücklich noch einmal Vorlesung, nicht Lesung genannt hatte, mit prallem Stoff. Einen Spaß vorab, er werde nun wohl doch eher in Seniorenakademien als in Jugendclubs eingeladen, quittierte er mit fröhlichem Grienen.

Er hat den 61. Geburtstag hinter sich, eine überaus stattliche Reihe von veröffentlichten Büchern auch, dazu zwar nicht die wahrscheinlich längste Praline der Welt, aber ziemlich sicher die am längsten kontinuierlich erscheinende Kolumne in Deutschland, die „Literatouristik“ im „Eulenspiegel“. Den es immer noch gibt, wie er im ersten Werbeblock auch optisch glaubhaft machte. Reden sollte er vor allem über das 1988 erschienene Gemeinschaftswerk mit Mathias Wedel, „Streitfall Satire“, und Biskupek bot dazu eine kurze Vorgeschichte und eine lange Nachgeschichte. Immer las er was, immer erklärte er was und er zeigte auch, dass die Zahl der Kontinuitäten zwischen damals und heute größer ist, als sie manchem scheinen mag.
 
Er zeigte vor allem alte Titel aus seinem Schaffen, wusste mit den Buchbeschreibungen bei Amazon seinen Spaß zu haben, wo gerade das Buch, um das es gehen sollte, zum Mehrfachen des DDR-üblich niedrigen Originalpreises angeboten wird, wenn auch nur viermal. „Streitfall Satire“ hatte im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig 1988 nur eine recht geringe Auflage, es wurde von der Kritik vornehm übersehen, oder musste vornehm übersehen werden, was den anderen Titeln des Jahres aus Biskupeks Feder nicht so widerfahren war (vgl. www.eckhard-ullrich.de).
 
Er erinnerte an seltsame Praktiken im sozialistischen Kabarett-Geschäft, wo Texte wohl vorgetragen, nicht aber gedruckt werden durften, er erläuterte Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Zuständigkeiten im Kulturbetrieb der DDR. Vor einem jüngeren Publikum hätte er fast Satz für Satz mit einem Glossar zu erläutern gehabt. Dass Texte bezahlt wurden, nicht aber gespielt, gab es auch und manche Texte, die erst in dem Band „Wir Beuteldeutschen“ erschienen, hatten schon ihre DDR-Geschichte hinter sich. Unter denen, die er ganz oder teilweise vorlas, war auch einer über Hansgeorg Stengel, ein Lobgesang über den Mann, der im kommenden Jahr 90 Jahre alt geworden wäre. Ein löblicher Lobgesang.
 
„Ich sehe mich eigentlich eher als Humorist, weniger als Satiriker“ sagte Biskupek gegen Ende seiner Vorlesung und der fast bis auf den allerletzten Platz gefüllte Hörsaal nahm es dankbar entgegen. Als seine Autobiographie empfahl er das Buch „Der soziale Wellensittich“ und auf seine bei Faber & Faber erschienenen „Streifzüge durch den Thüringer Kräutergarten“ machte er mit Auszügen aus Protestpost neugierig, in denen der Beweis angetreten wurde, dass auch der lustigste Humorist gegen Humorlosigkeit ziemlich machtlos ist. Dabei will dieses Buch nicht einmal lustig sein. Doch welcher Schlips merkt das schon, wenn er sich getreten meint.
 *zuerst veröffentlicht: Thüringer Allgemeine, 15. November 2011, Untertitel: Matthias Biskupek schlichtete „Streitfall Satire“ im fast gefüllten Curie-Hörsaal in Ilmenau


Joomla 2.5 Templates von SiteGround