Hugh, der Wähler hat gesprochen
Brutaler geht kaum. Am Wohnort des Landrates Benno Kaufhold, in Stützerbach, wollen ganze 13,4 Prozent der Wähler ihn auch weiterhin im Amt sehen. Die Stützerbacher, könnte man meinen, haben mit ihrem Angriff auf den Auspuff des Landrats-Dienstwagens vor Monaten ein klares Signal gesetzt. Wer die Schule im eigenen Ort schließen will, wird auf den Mond gewünscht. Ob im gegenteiligen Fall bei höchstamtlicher Rettung der „eigenen“ Schule Proteste laut geworden wären, wie sie immer laut werden, wenn ein Amtsinhaber Wohltaten ins eigene Nest verteilt, bleibt unbeantwortet. Der Landrat macht gute Miene zum bösen Spiel, was bliebe ihm sonst. Vor allem sind es bittere Erkentnisse. Eine heißt: Er hat kaum noch echte Hochburgen im Kreis. Nur Wolfsberg, Frankenhain und Gehlberg lieferten ihm absolute Mehrheiten, Gehlberg die ansehnlichste, wenn man von den Briefwählern in Wolfsberg absieht, deren 95,8 Prozent in vielen Sportwettbewerben wohl zum Streichergebnis würden.
Die jämmerlichste Wahlbeteiligung außerhalb Ilmenaus gab es in Altenfeld, in Ilmenau wohnen wie immer die unangefochteten Wahlfeinde am Eichicht, im Umkreis der Ilmenauer Werkstätten und der Heinrich-Hertz-Schule. Petra Enders errang in Altenfeld, Friedersdorf, Gehren, Gillersdorf, Großbreitenbach, Allersdorf, Willmersdorf, Langewiesen, Möhrenbach, Neustadt, Neusiß, Stützerbach und Wildenspring auf Anhieb absolute Mehrheiten. Nicht weniger als 70,7 Prozent in Möhrenbach wollen Petra Enders als Landrätin haben und das war unter Konrad Haueisen mal ein braves CDU-Dorf. Aber man ist gegen die Stromtrasse und es macht immer entschieden mehr Spaß, gegen etwas zu sein, als für etwas. Denn das, wogegen man ist, liefern einem meist die anderen, ein Programm muss man sich irgendwie selbst ausdenken.
In Ilmenau ist alles gelaufen, wie es zu erwarten war. Nur in der Ehrenbergstraße, wo 66,8 Prozent der Wahlberechtigten am Sonntag Besseres vorhatten, als zur Hausnummer 11 zu wandeln, um alberne Zettel durch einen Schlitz zu schieben, dort war nicht nur das einzige Wahllokal der Universitätsstadt, in dem Amtsinhaber Gerd-Michael Seeber nicht die absolute Mehrheit errang, dort landete er sogar nur auf Platz 2 hinter dem Bockwurstpiraten Daniel Schultheiß. Dort sammelte auch der vollkommen chancenlose Rechtsanwalt Kay Tischer für die SPD sein bestes Ergebnis ein und Madeleine Henfling streifte als ebenfalls vollkommen aussichtslose Landratskandidatin knapp die Zwanzig-Prozent-Hürde, immerhin das mehr als Vierfache ihres Gesamtergebnisses. Die Lehre für den alten und neuen Oberbürgermeister könnte lauten: Ich spare mir künftig den langen Redeteil zugunsten der Universität und des guten Verhältnisses zwischen Stadt und Campus, es bringt mir nicht nur nichts, sondern im Gegenteil den höchsten Grad an wählerischer Undankbarkeit. Seeber wird diese Lehre selbstverständlich nicht für sich wirksam werden lassen.
In Roda, wo der OB selten Betriebsbesuche macht, noch seltener lange Reden hält, keine Kindergärten, keine Kirchen, Friedhöfe oder Fußballplätze rettet, dort schnappt er sich fast 75 Prozent aller Wählerstimmen, auch in der Bergrat-Mahr-Straße, wo bei Kommunalwahlen eher die Linke kichert, springt er als Person locker über 70 Prozent. Was auf seltsame Weise damit korreliert, dass dort Petra Enders 48 Prozent schafft, nur noch übertroffen vom Wahllokal Stollen, wo sie haarschaf die absolute Mehrheit verfehlte. Was immer die Wähler im alten Neubaugebiet Stollen bewegt, es ist einigermaßen wundersam. Die Anwohner dort haben auch ein vergleichsweise ungebrochenes Verhältnis zu ihrer alteingesessenen Tageszeitung, weil dort die Todesanzeigen stehen, die die Konkurrenz fast ausschließlichr aus dem Kreisnorden bezieht.
Am sechsten Mai entscheidet eine Stichwahl, ob Petra Enders vor die lustige Aufgabe gestellt wird, einem Kreistag vorzustehen, in dem sie nach menschlichem Ermessen selten bis nie eine Mehrheit haben wird bis zur nächsten Kommunalwahl in Thüringen oder ob Benno Kaufhold noch eine Runde darf. Falls er dann in der kommenden Amtsperiode wieder einmal vor der Aufgabe einer Schulschließung stehen sollte, müsste er sich einen Ort suchen, wo ihn ohnehin kaum jemand wählt. Die Aussage, dass ich nach diesem Wahlergebnis schwarz sehe oder rot, wäre wegen der einschlägigen Nebenbedeutungen Irreführung im Schreibamt. Neugierig wäre ich nur darauf, ob Eckhard Bauerschmidt für den Fall des Stichwahlsieges seiner Arbeitgeberin schon versorgt ist. Wie auch immer das aussähe im Freistaat, in dem gern gegen Versorgungsposten gewettert wird.