Arthur Eloesser in Ilmenau

„Der morgige Sonntag ist einem Ausflug nach Ilmenau und einer Gedächtnisfeier am Grabe der vor 100 Jahren gestorbenen Corona Schröter bestimmt, zu der der augenblicklich recht verdüsterte Himmel allerdings noch seine Einwilligung zu geben hat.“ So endete der mit Arthur Eloessers Kürzel A. E. gezeichnete eigene Bericht der „Vossischen Zeitung“, Nummer 239, Morgenausgabe vom 25. Mai 1902, die Überschrift ganz unspektakulär nur „Weimarer Goethe-Tage“. Der Berichterstatter war selbst Mitglied der Goethe-Gesellschaft und demgemäß gewissermaßen in doppelter Eigenschaft in Weimar erschienen. Fast protokollarisch sachlich informierte er seine Leser über den Ablauf der Sitzung, protokollarisch auch im Verfolgen des Ablaufs. Man gedachte nach der Begrüßung der Toten des abgelaufenen Jahres, darunter die bis heute berühmten Goethe-Forscher und Spezialisten Heinrich Düntzer (12. Juli 1813 - 16. Dezember 1901) und Hermann Grimm (6. Januar 1828 – 16. Juni 1901). Der Vorsitzende der Goethe-Gesellschaft, Carl Ruland (15. Juli 1834 – 13. November 1907), begrüßte nicht nur namens des abwesenden Großherzogs, er sprach nach dem Haupt-und Festvortrag noch über das Goethe-Nationalmuseum. Den Jahresbericht über Goethe-Bibliothek und Goethe-Schiller-Archiv trug dessen erster Direktor vor, Bernhard Ludwig Suphan (18. Januar 1845 – 9. Februar 1911). Die Jahresrechnung wurde auch vorgelegt.

„Den Festvortrag über „Goethes ethische Anschauungen“ hatte Herr Prof. Paulsen, Berlin, übernommen, dem es auf Grund einer ungemein klaren und fasslichen Disposition gelang, uns in einer knappen Stunde über dieses „Meer von Betrachtungen“ hinüberzubringen.“ Eloesser meinte Friedrich Paulsen (16. Juli 1846 – 14. August 1908), den Pädagogen und Philosophen, der später in Berlin sogar ein Ehrengrab erhielt. Was Paulsen vortrug und später im Goethe-Jahrbuch 1902 auch gedruckt zu lesen war, worauf der Berichterstatter schon werbend hinwies, konnte der Leser der „Vossischen“ an jenem Sonnabend Ende Mai schon sehr detailliert nachvollziehen, falls er sich für eben solche Details interessierte. Es mag reizvoll sein, Arthur Eloessers Wiedergabe der Inhalte des Festvortrags mit diesem selbst zu vergleichen, hier kann das auf keinen Fall eine Aufgabe sein, denn es setzte einfach zu viele Vorkenntnisse voraus. Erstaunlich genug, dass der Experte Eloesser diese Vorkenntnisse offenbar unterstellte. Seine referierenden und kommentierenden Ausführungen jedenfalls genügen höchsten fachlichen Kriterien, was ziemlich sicher eine Leser-Mehrheit 1902 entsprechend überforderte. Die Fortsetzung des Berichts jedenfalls rutschte dann schon unter den berühmten Strich, der seit dem 1. Oktober 1900 stillschweigend als Reaktion auf das Vorbild der „Berliner Morgenpost“ auch in der „Vossischen Zeitung“ genutzt wurde, das Feuilleton anzuzeigen.

Ehe die Mitglieder der Goethe-Gesellschaft aus Deutschland, Österreich, Frankreich, England „und den anderen Gebieten von Goethes Kaiserreich“ aber am Sonntag gen Ilmenau aufbrechen durften, hatten sie noch das Festmahl in Weimar zu bewältigen und die Aufführung von Goethes „Triumph der Empfindsamkeit“ in der Darbietung des Weimarer Hoftheaters zu überstehen. Zu vermuten ist, dass die Wahl dieses wahrlich wenig bedeutenden Goethe-Werkes mit der Besetzung bei der Uraufführung am 30. Januar 1778 zu tun hat. Denn in diesem Sechs-Akter spielte Goethe selbst den humoristischen König Andrason und Corona Schröter war seine Gemahlin Mandandane. Michael Lösch hat in sein fast immer hilfreiches Buch „Who's who bei Goethe“ das frühe Werk gar nicht erst aufgenommen, so dass man bei ihm auch nichts über die entsprechenden Rollen erfahren kann. Ersatzweise sei der erst im vorigen Jahr verstorbene Karl Otto Conrady zitiert: „Ein Prinz ist in eine lebensgroße Puppe verliebt, die ein getreues Abbild der Königin Mandandane ist. Deren Zuneigung zu ihm, die ihren Gatten selbstverständlich stört, wird zunichte gemacht, als man ihr vorführen kann, dass der Prinz gar nicht sie selbst, sondern jenes Abbild liebt, das er in Gestalt der Puppe überall mit sich führt.“ Gedichtet hat Goethe das Stück zum Geburtstag der Herzogin 1778. Im Inneren der Puppe finden sich später Bücher, darunter auch „Die Leiden des jungen Werther“!

In seinen späten Jahren war Goethe eines solchen Maßes an Selbstironie nicht mehr fähig, das sei hier nur angemerkt. Noch einmal Conrady: „Goethe ließ die Schauspielerin der Mandandane (es war Corona Schröter) eine lange Klage der Proserpina vortragen, die, in die Unterwelt entführt, ihr Schicksal betrauert und nach dem Genuss der Granatapfelfrucht nicht mehr gerettet werden kann.“ In Peter Brauns Biographie „Corona Schröter. Goethes heimliche Liebe“ bekommt „Der Triumph der Empfindsamkeit“ kaum einen halben Satz, genannt ist nur noch der Spielort: die Saalbühne von Schloss Ettersburg: „Darüber hinaus ist aus Corona Schröters Leben vom Sommer 1777 bis Sommer 1778 nur wenig überliefert.“ Sehr viel mehr ist dagegen überliefert aus Ilmenau, so weit es den Besuch der Goethe-Gesellschaft am Sonntag, 25. Mai 1902, betrifft. Arthur Eloesser schrieb dazu für die Morgenausgabe der „Vossischen Zeitung“, Nr. 243, vom 28. Mai eine Fortsetzung seiner ersten Korrespondenz, die man seit 2013 auch in einem Buch des Vergangenheitsverlags Berlin neu gedruckt nachlesen kann, leider mit der dieses Buch auch sonst äußerst hässlich kennzeichnenden Flut von Lese-, Schreib- und Druckfehlern. Es handelt sich im von Tina Krell herausgegebenen Band „A. E. Die frühen Feuilletons Arthur Eloessers von 1900 – 1913“ um den Text Nummer 26 auf den Seiten 53 und 53. Das Original in der Zeitung fand sich auf Seite 2.

Das Stadtarchiv in der Ilmenauer Goethe-Passage bewahrt neben den zeitgenössischen Berichten und Ankündigungen der lokalen Presse, „Die Henne. Ilmenauer Nachrichtenblatt“, Ausgaben vom 25., 27. und 28. Mai 1902, auch eine Ruheakte des Stadt-Gemeinde-Vorstandes mit der Signatur 200.358, in der fast ausschließlich handschriftliche Briefe, Protokolle und andere Schriftstücke enthalten sind. Sie dokumentieren den großen zeitlichen Vorlauf in der Vorbereitung des Besuchs der Goethe-Gesellschaft ebenso wie den hohen personellen Aufwand dafür. Allein an der Sitzung des Goethe-Festausschusses der Stadt am 14. März 1902 im „Sächsischen Hof“ nahmen 47 Mitglieder teil. Die Akte enthält unter anderem eine Anfrage aus Weimar vom 13. Januar, der offenbar eine bis dahin noch nicht beantwortete erste Anfrage vorausgegangen war. Das letzte Aktenstück zur Sache ist eine Quittung über 100 Mark für „erbrachte Musikleistungen“ am 25. Mai, dem Fest-Sonntag. Es gab einen aus zehn Personen, nur Männern, gedachten Empfangsausschuss, von denen schließlich aus verschiedenen Gründen drei nicht teilnehmen konnten. Quasi in letzter Minute erst sagte Paul Pasig ab, Realschullehrer in Ilmenau, der die gedruckte Festgabe der Stadt zur 17. Jahresversammlung der Goethe-Gesellschaft geschrieben hatte wie auch ein vierstrophiges Gedicht des Titels „Goethe und Ilmenau“, das die Titelseite der „Henne“ vom 25. Mai 1902 zierte.

Nicht wenige Dispositionen mussten trotz langfristiger Vorbereitungen kurzfristig getroffen werden. Die Ankunftszeit des Sonderzuges aus Weimar etwa, 10.22 Uhr auf dem Ilmenauer Hauptbahnhof, stand erst am 23. Mai fest. Am 22. Mai erging die Bitte um Organisation des Hinkommens der Gesellschaft zum „Sächsischen Hof“. Ursprünglich war ein Fußmarsch vom Bahnhof durch die Marktstraße bis zum Friedhof mit dem Grab von Corona Schröter vorgesehen. Bürgermeister Ilmenaus war zu diesem Zeitpunkt Alexander Bleymüller, er amtierte von 1901 bis 1906. Unter denen, die die Goethe-Gesellschaft in Empfang nahmen, war auch der stadtbekannte Mediziner Dr. Wilhelm Walter Michael. Ob sein Sohn Friedrich Michael, später bekannt als Schriftsteller und Verlagsleiter, der im Oktober 1902 zehn Jahre alt wurde, unter den Neugierigen oder gar Beteiligten war, ist nicht überliefert, aber recht wahrscheinlich. Für alle weiteren Details können Arthur Eloessers Bericht und die Informationen der „Henne“ herangezogen werden, die natürlich mit Blick auf die heimische Leserschaft deutlich ausführlicher gerieten. Ob seinerzeit in Ilmenau Eloessers Bericht gelesen wurde, ist nicht bekannt, das Stadtarchiv kannte ihn nicht und fügte ihn erst jetzt als Kopie aus dem Krell-Buch seinen Beständen hinzu. Archiviert ist damit auch des Berliners großzügige Ortsangabe „schräg gegenüber“ für den „Löwen“, gesehen vom „Sächsischen Hof“.

Wie also erlebte Arthur Eloesser, eben 32 Jahre alt und noch nicht viel länger als zweieinhalb Jahre bei der „Vossischen Zeitung“ fest angestellt, den Ausflug von Weimar nach Ilmenau? Zunächst als die ärgerliche Pflicht, viel zu früh aufstehen zu müssen, nach den Anstrengungen des Vortages, vor allem nach den „nächtlichen Symposien, die sich in der berühmten Künstlerkneipe und anderen dazu geeigneten Orten abgespielt hatten.“ Was heißen will: nicht wenige der Goetheaner stiegen verkatert in den Extrazug und deshalb „versuchte man, sich gegenseitig mit wohlgerathenen Scherzen und Kalauern aufzuwecken, das Lachen ist immer noch die beste Erfrischung“. Das Wetter war nicht besser geworden. „Um so freundlicher kamen uns die Menschen entgegen, die uns mit klingender Musik und wehenden Fahnen am Bahnhof begrüßten.“ Sie hatten sogar, was der Kritiker aus Berlin nicht eigens erwähnt, eine Ehrenpforte errichtet, durch die die Besucher die Stadt betraten. „Durch die reich geflaggten Straßen des lieblichen Ilmenau ging es in den „Sächsischen Hof“, neben dem Knebel gewohnt hat“. Das „neben“ darf gelesen werden wie das erwähnte „gegenüber“. Die Beflaggung der Stadt war noch in der Sonntags-Ausgabe der „Henne“ den Hausbesitzern dringend empfohlen worden, verbunden mit dem ausdrücklichen Wunsch: „So möge denn der Himmel endlich ein Einsehen haben“. Dem der Himmel nur widerwillig folgte.

„Eine Wettersäule in derselben Straße bewahrt sogar neben den Frequenzen des Badeortes alle Daten seiner Ilmenauer Besuche auf, und die philosophische Treue, der sich das ganze erinnerungsreiche Ländchen ergeben hat spricht sogar resignirt von zwei Aufenthalten, deren genaue Daten sich nicht feststellen ließen.“ Eine Wettersäule gibt es heute immer noch am Eingang der Ilmenauer Fußgängerzone. Sie lässt von außen nicht erkennen, welches Fabrikat sie darstellt. Es gab um 1890 im Deutschen Reich zirka 400 Säulen der „Hamburger Annoncen-Uhr-Actien-Gesellschaft“, die erste war 1876 in Bad Godesberg aufgestellt worden. Später lieferte auch die Göttinger Firma Wilhelm Lambrecht Wettersäulen aus. Die jetzt nahe der Bushaltestelle zu besichtigende blaue Säule zeigt auf alle Fälle keine Daten von Goethes Ilmenau-Aufenthalten mehr an, die Übersicht findet sich aber mittlerweile in mehreren leicht zugänglichen Quellen. Von den beiden Begrüßungsreden vermeldet Arthur Eloesser lediglich, dass sie gehalten wurden, die Ilmenauer „Henne“ gab sich da auskunftsfreudiger. Ihr zufolge sprach Bürgermeister Bleymüller „in seiner bekannten geistreichen Weise mit tiefdurchdachter Rede“. Goethe sei es, „um den uns, wie um Bismarck, die ganze civilisirte Welt beneide“. Es ist hier nicht zu erörtern, ob Ilmenaus Bürgermeister mit seiner Behauptung vielleicht verkappte Kritik an Kaiser Wilhelm II. üben wollte.

Der hatte bekanntlich Bismarck zwölf Jahre zuvor als Reichskanzler entlassen. Jetzt aber wollte der Bürgermeister vor allem seine Stadt in gutes Licht stellen, weshalb er sie auch eine Fabrikstadt und eine Stadt höherer Bildungseinrichtungen nannte. „Dann ergoss sich ein wahrer Regen von Festschriften über die Versammlung, denen sich die Hände ebenso begehrend wie kurz zuvor nach dem lecker bereiteten Mahle ausstreckten.“ Mehr erfuhren die Leser der „Vossischen Zeitung“ über diese Festschriften nicht. Da war an erster Stelle die von Realschullehrer Paul Pasig verfasste, in der zweiten, durchweg ergänzten Auflage noch 1902 im Verlag von Huschke's Hofbuchhandlung Weimar, 27 Druckseiten umfassende „Goethe und Ilmenau. Mit einer Beigabe: Goethe und Corona Schröter“. Deren erstes Vorwort stammt vom Mai, das zweite vom Juli 1902, enthalten ist jenes Gedicht, das auch die „Henne“ am 25. Mai druckte. Gedruckt wurde die Festschrift in Ilmenau, in der Buchdruckerei G. Reiter. Des weiteren gab es ein von Professor Max Friedländer erstelltes Heftchen, welches fünf Lieder von Corona Schröter sowie eine Geschichte ihres Grabes enthielt, Autor ein Geheimer Archivrat Dr. Burkhardt aus Weimar, den Paul Pasig kannte und zitierte, den Schröter-Biograph Peter Braun nicht einmal erwähnt. Eine nicht näher beschriebene Drucksache der österreichischen Goethe-Gesellschaft überreichten die Freiherren von Thurn und von Paulsen.

Die Gäste aus Leipzig und aus Guben verschwieg Arthur Eloesser seinen Lesern zunächst, um stattdessen auf den einzigen der Weimarer Freunde zu kommen, der Corona Schröters Sarg 1802 folgte: Karl Ludwig von Knebel. Zu ihm und Ilmenau vgl. http://www.eckhard-ullrich.de/lokal-splitter/1705-goethes-urfreund-knebel-im-vortrag. Am Grab auf dem Ilmenauer Friedhof sprach Bernhard Suphan (siehe oben), „er zeichnete das Bild der wunderbaren Frau, die ihren Zeitgenossen als eine ideale Verkörperung der Schönheit erschien, ihres mit einer so ebenmäßigen Vielseitigkeit ausgestatteten Genis (sic!), das in allen bildenden und nachbildenden Künsten so tief wurzelte, und er ließ uns in ein großes Leben blicken, durch das eine uns trotz allen Nachrichten nicht ganz offenbarte Tragik geht.“ Es ist dies der Platz, einen ausdrücklichen Warnhinweis zum Buch von Tina Krell auszusprechen, es unterschlägt den kompletten Passus „und er ließ uns...“, so dass der Satz wie leider so viele andere in der Fassung des Vergangenheitsverlags auch keinen Sinn ergibt. Das gesamte Buch müsste theoretisch Text für Text anhand der Originale verglichen werden, was offenbar weder Frau Krell noch der Verlag oder die von ihm benannten Korrektoren je taten. Das ausgerechnet das erste wirklich neues Material in großem Umfang bietende Eloesser-Buch (160 Texte immerhin) so extrem textunsicher ist, ist verlegerisch wie herausgeberisch eine Katastrophe.

„Zu dem Kranz der Goethe-Gesellschaft, den der Redner niederlegte, kamen noch andere der Stadt Ilmenau, des Weimarer Hoftheaters und des Rathes der Stadt Leipzig, wo sie zur Künstlerin herangereift war.“ Nicht weniger als drei weitere Fehler des Buches sind hier schon wieder stillschweigend korrigiert. „Dann ging es zu Fuß und zu Wagen durch die dunklen Fichtenwälder nach Gabelbach, wo die bekannte Dichtergemeinde in schöner Waldeinsamkeit den Musen und, wie sie selbst nicht leugnet, auch dem Bacchus opfert.“ Es gibt auch hier wieder eine Festschrift, die Eloesser nur erwähnt. Was er gar nicht erwähnt, weil es ihm womöglich entging, ist ein Unfall, der den Bankier Cahn aus Frankfurt am Main ereilte, was nur deshalb einer Nachricht wert gewesen wäre, weil es den Ablauf des geplanten Programms verzögerte. Laut „Henne“ war es „ein stattlicher Wagenpark am Thore des Friedhofs“, der die Teilnehmer zum Gabelbachhause führen sollte. Der Bankier wird seine Entscheidung, zu Fuß ans Ziel zu gelangen, sicher heftig bedauert haben, denn er brach sich, auf dem feuchten Waldwege ausgleitend, ein Bein. Ein stattlicher Zug, in dem sich auch zahlreiche Ilmenauer befanden, bewegte sich Richtung Goethehäuschen, „wo Goethe das „Ueber allen Wipfeln ist Ruh“ in die Bretterwand des Häuschens eingeschnitten hat, das nun leider verbrannt ist und durch eine treue Rekonstruktion ersetzt“, wie wiederum Eloesser schreibt.

„Die Ilmenauer sangen das Lied und noch manche andere, die Hörner einer kindlichen Kapelle klangen durch den Wald, in dem Karl August mit seinen Freunden gejagt und getobt, in dem Goethe mit Charlotte von Stein wie in einer Geisterwelt geträumt hat“. Jetzt war wie in einer bedachten Dramaturgie auch der Platz für einen Sonnenstrahl: „... als der Photograph kam, um die andächtige Gemeinde in seiner Dunkelkammer zu verhaften, kaum auch die Sonne auf einige Augenblicke“. Arthur Eloesser wird regelrecht poetisch in der folgenden Beschreibung der Szenerie: „... vor dem Untergehen warf sie noch ein paar Strahlen in die Thäler zu unseren Füßen, sie ließ einen Teich in rosigem Schimmer glühen, sie besetzte die Mäntel der Berge aus feinstem Nebelflor mit schmalen goldenen Streifen, sie breitete ihr Gold noch auf einige helle Felder zwischen dunklen Wiesengründen, und als sie auf die Schönheit des Landes gedeutet hatte, verhüllte sie sich in Selbstzufriedenheit, und die dunklen Wälder, die Thüringens Berge krönen, geboten wieder mit ihrem Ernste über die verschleierte Landschaft.“ Um dann sehr rasch zum Ende zu kommen: es geht am Scheffel-Denkmal vorbei zur „Tanne“, „wo wir bei einem wohlverdienten, wohlvorbereiteten und durch Reden wohlgewürzten Mahle von den freundlichen Ilmenauern herzlichen Abschied nahmen.“ Ob Arthur Eloesser Ilmenau je wieder sah, wissen wir, wie vieles von ihm, leider nicht.

Aus der „Henne“ wissen wir, dass das Gabelbach-Programm so weit gekürzt wurde, dass die Festgesellschaft pünktlich um 5 Uhr ihr Mahl in der „Tanne“ beginnen konnte. Nach zweieinhalb Stunden brach man auf, um zurück nach Weimar zu gelangen, die Reden, die das Mahl würzten hielten Hofrat Ruland, Kommerzienrat Naumann, nachdem die Ilmenauer Naumannstraße benannt ist, und Kantor Kahle, dem beim Abschied viele noch eigens die Hände schüttelten für seine Späße. Das Lokalblatt dankte natürlich auch dem Gemeinderat, der die Kosten für alles bewilligte. Man sandte einen Gruß an den Geheimen Justizrat Schwanitz, nachdem die Ilmenauer Schwanitzstraße benannt ist und bedauerte noch einmal ausdrücklich die Abwesenheit von Lehrer Paul Pasig, der laut Archivakte einen Freund traf an gerade diesem Wochenende, den er sehr lange nicht gesehen hatte. In der „Vossischen Zeitung“ erwähnte Arthur Eloesser Ilmenau noch zweimal nach jetzigem Kenntnisstand: in der Ausgabe vom 11. November 1906, Nummer 530, schrieb er „Zu Goethe und Ulrike“, in der Ausgabe vom 3. Juli 1910, Nummer 307, „Das Jubiläum der Goethe-Gesellschaft“. Hier erinnerte er an Corona Schröter, „diese geheimnisvolle tragische Schönheit, die später verlassen und vergessen in Ilmenau saß, wo wir vor einigen Jahren ihr verfallenes Grab erneuert haben.“ 1906 schrieb er vom Glas, das Goethe an seinem letzten Geburtstag in Ilmenau „noch einmal an seine Lippen drückte“, das berühmte Glas mit den Namenszügen dreier Schwestern.


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