Otto Ludwig in Eisfeld
Beginnen wir mit einer gravierenden Peinlichkeit dieser heutigen Ausstellungseröffnung im Schloss Eisfeld. Laudator Peter Lauterbach, Redakteur der Regionalzeitung FREIES WORT, der seine Rede mit dem Bekenntnis begann, seit dreißig Jahren mit Otto Ludwig nichts mehr zu tun gehabt zu haben, zitierte eine Aussage von Adolf Bartels aus dem Jahr 1942 über den am 12. Februar 1813 in Eisfeld geborenen Dichter mit dem eigenen Kommentar, man müsse dieser Einschätzung wohl zustimmen. Ich zitiere meinerseits unkommentiert „Das Personenlexikon zum Dritten Reich“ in der Ausgabe der Edition Kramer, Seite 28: „Bartels, Adolf. Völkischer Literaturpapst * 15. 11. 1862 Wesselburen in Holstein. 1905 vom Großherzog von Weimar zum Professor ernannt. 1920 Autor: Rasse und Volkstum. 1921: Die Berechtigung des Antisemitismus. 1924: Der Nationalsozialismus, Deutschlands Rettung. Wollte Juden und „Pseudojuden“ wie Thomas Mann oder Hermann Hesse aus der deutschen Literatur ausmerzen. 1925 NSDAP. 1928 Öffentlicher Förderer der Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur (Brenner). 1930 Lehrauftrag Universität Jena durch NS-Innenminister Frick. Mitglied des ev. Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflüsses auf das deutsche kirchliche Leben in Eisenach. † 7. 3. 1945 Weimar“.
Man muss nicht, wie es vielleicht vor 25 Jahren noch ganz selbstverständlich gewesen wäre, den alten Sozialdemokraten Franz Mehring zitieren, der den hundertsten Geburtstag von Otto Ludwig 1913 zum Anlass für eine mehrseitige Auseinandersetzung mit Leben und Werk des bis heute berühmtesten Eisfelders nahm. Man muss überhaupt keinen und niemanden aus der verflossenen DDR heranziehen, obwohl es unter deren Regime war, als 1961 eben in Eisfeld das förmliche Gedenken an ihn einen neuen Anfang nahm. Was man aber auf keinen, auf gar keinen Fall darf, ist ein kommentarloses Zitieren dieses schlimmen Nazis Adolf Bartels, den sicher nur sein rechtzeitiger Tod davor rettete, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches auf einer Anklagebank zu landen. Das hat Otto Ludwig nicht verdient, das haben die Eisfelder nicht verdient, die so zahlreich zur Eröffnung ihres Otto-Ludwig-Festjahres kamen. Angesichts solcher Fehlleistung will mir das weitere Eingehen auf die Laudatio nicht gelingen, ich will lediglich festhalten, dass bedacht werden sollte, welche Rede man herzerwärmend nennt, wie es nach der Laudatio zweifach geschah.
Die Ausstellung selbst, für die Museumschef Heiko Haine die Hauptverantwortung trägt, ist ohne jede Einschränkung sehenswert. Sie verzichtet auf modischen Firlefanz, nutzt jedoch modernen museumsphilosophischen und museumspädagogischen Ansatz in Aufbau und Gestaltung. Sie ist chronologisch geordnet, sie bezieht in unaufdringlicher und prägnant informierender Weise die Zeitgeschichte ein, ohne die Otto Ludwig aus Eisfeld, wie er sich selbst nannte, ebenso wenig wie jeder andere Dichter, jede andere herausragende Persönlichkeit, zu verstehen ist. Sie erstreckt sich über zwei Etagen, sie wird bis zum 26. Mai zu sehen sein und ist laut Bürgermeister Sven Gregor die wahrscheinlich schönste und beste Sonderausstellung im Museum, das den Namen „Otto Ludwig“ trägt. Man kann sich über die Lebensumstände des Dichters ebenso informieren wie über die wenig zahlreichen Werke, den Werken ist die obere Etage vorbehalten. Rasch ist festzustellen, dass eine Ausstellungseröffnung nicht die ideale Gelegenheit ist, alles wirklich genau anzuschauen, anzuhören, was geboten wird, gar nicht zu reden vom Wirkenlassen.
Mir fiel beispielsweise auf, dass die beiden Porträtgemälde „Gattin von Otto Ludwig“ und „Sohn von Otto Ludwig“ großzügig auf die Namen der dargestellten Personen verzichten. Was wiederum an August von Goethe erinnert, dessen Grabmal nahe der Cestius-Pyramide in Rom es auch für ausreichend erachtete, lediglich den Vater zu nennen. Wegen solcher Dominanzen wird man schon mal zum Alkoholiker wie jener August und säuft sich zu Tode. Mir tat wohl, wie der Hauptmacher der Ausstellung darauf hinwies, dass eine freilich kunstarme Darstellung des berühmten Gartenhauses von Ludwig, von Lehrer Grundmann gemalt, nicht nur erstmals öffentlich gezeigt werde, sondern eben auch die einzige bekannte Darstellung der 1917 gefällten Robinie davor sei. Das Programm des Otto-Ludwig-Festjahres erstreckt sich bis zum Tag des offenen Denkmals am 8. September und bietet mehrfach Gelegenheit, eben dieses Gartenhaus pur zu besichtigen oder am Ende einer geführten Otto-Ludwig-Wanderung durch den Ort, sie soll zirka anderthalb Stunden dauern. Man kann Schubladen aufziehen und Kopfhörer aufsetzen, Blickfang ist ein Panorama von der Bühne in den Zuschauerraum der Dresdner Semper-Oper. Denn etliche Jahre seines Lebens verbrachte Otto Ludwig in Dresden, wo er 1865 starb und begraben liegt.
Neu ist auch ein Buch mit dem nicht ganz werbewirksamen Titel „Und Wahrheit ging mir von jeher über alle Schönheit. Otto Ludwig neu zu entdecken“, erschienen im Salier-Verlag. Leider ist die Schrift bisweilen etwas klein, leider ist einmal Eduard Mörike mit ck geschrieben, leider finden sich grässliche Sätze wie „Am 10. September 1961 konnte die feierliche Wiedereroffnung der Dichtergedenkstätte im Gartenhaus erfolgen.“ darin, die man keinem Volontär am ersten Arbeitstag durchgehen lässt. Ansonsten sind die 15 Euro für das Buch gut angelegt, falls man sich kompakt über Ludwig informieren will, man wird, wenn man eigene Urteile gebildet hat, da und dort natürlich widersprechen mögen, aber das ist ja eher normal als unnormal. Man muss, das lässt sich auf alle Fälle ohne umfassendes Studium sagen, anerkennen, dass in der Reihe derer, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr zu feiern ist, ich nenne Richard Wagner, Friedrich Hebbel, Georg Büchner und, aus Dänemark, Kierkegaard, Otto Ludwig keinen Podestplatz für sich in Anspruch nehmen kann. Nimmt man zu dieser Reihe aber Gustav Bacherer, Heinrich Düntzer, Julius Frauenstädt, Friedrich Wilhelm Held oder Hermann Kletke, alle haben ihren 200. Geburtstag in diesem Jahr und finden sich im Literatur-Lexikon, dann fällt es leicht, Otto Ludwig weit oben und vorn zu sehen.
Dass die Arbeitsgruppe „Otto Ludwig 2013“, geleitet von Helga Schmidt, die auch als Herausgeberin und Mitautorin des Buches fungierte, ungeschmälertes Lob verdient, bescheinigte ihr der Bürgermeister. Jeder Nutzer des Buches, jeder Besucher der heute eröffneten Sonderausstellung im Schloss am Markt wird dem folgen können, wenn er/sie sich nur etwas Zeit nimmt. Am Dienstag ist dann der 200. Geburtstag, es gibt am Abend eine Festveranstaltung in Eisfeld, man wird sehen, ob und wie das Ludwig-Echo im deutschen Sprachraum sich ausnimmt.