Freude durch Krafft

Half Goethe einem Pädophilen? War Johann Friedrich Krafft das, was Medien heute gern eilig einen Kinderschänder nennen?

ILMENAU. Die Versuchung, Schlagzeilen in solcher Richtung zu produzieren, ist groß. Denn im Angesicht von unübersehbaren Bergen von Goethe-Literatur, von immer neu erscheinenden Abhandlungen, Monographien, Biographien, Gesamtdarstellungen zu jedem immer schon scheinbar und wohl auch tatsächlich bis zur Erschöpfung behandelten Goethe-Thema ist es fast unmöglich, Aufmerksamkeit zu erreichen.
 
Johann Friedrich Krafft dagegen, der nicht so hieß, der aus unbekannten Gründen im Leben scheiterte, Pech hatte, zu Fall gebracht wurde – alles mangels zuverlässiger Quellen pure Spekulation – er schaffte es, mit ebenfalls unbekannten Argumenten, Gründen, Druckmitteln, sich Goethe zu verbinden. Und zwar in einem Umfang, dass dieser nicht nur über längere Zeit Geld aus seinem privaten Haushalt einsteuerte, sondern auch für ein Unterkommen in Ilmenau sorgte. Krafft wurde hier in der Stadt an der nach Weimar fließenden Ilm so etwas wie Goethes IM.
 
Bis an sein Lebensende hat Goethe nicht einmal vor sich selbst das Inkognito des seltsamen Mannes gelüftet, der ihm denunziatorische Briefe zu den Ilmenauer Verhältnissen nach Weimar schickte. Einige sind erhalten, der Regestenband 1 zu den „Briefen an Goethe“ weist acht Schreiben aus vom 28. Oktober 1779 beginnend bis zum Dezember 1780. Zwanzig Briefe an Krafft von Goethe sind erhalten, zwölf vor der Reise in die Schweiz geschrieben. Goethe sorgte sich später um Begräbniskosten für „Krafft“ und kümmerte sich, dass in diesem Zusammenhang alles beglichen wurde, was zu begleichen war. Aber selbst in den erhaltenen Ausgabenbüchern des Goethe-Haushaltes werden alle Posten, die diesen Mann betreffen, codiert nachgewiesen. „K...“ ist das Maximum, was sich Goethe selbst erlaubt. Auf wen nahm er Rücksicht?
 
Johann Friedrich Krafft, der nach bestimmten Angaben einmal im Umfeld des Berliner Erzaufklärers Friedrich Nicolai gewirkt haben soll, dann aber nicht der junge Mann gewesen sein kann, als den ihn andere, mit nicht besseren Quellen, bezeichnen, war Goethe sehr nützlich. Er lieferte Informationen zum desolaten Ilmenauer Finanzwesen, die sich der hohe herzogliche Beamte zu Weimar nur schwerlich selbst hätte besorgen können. Wie er an diese Informationen kam, denn ein Amt im Rathaus oder im Rat hatte Krafft nie, ist letztlich ungeklärt.
 
Dann aber gab Krafft auch Unterricht, weil er immer mehr Geld brauchte, als er hatte. Und es kam zu einem seltsamen Zerwürfnis mit dem Ilmenauer Amtmann Ackermann, der wieder Ordnung in das Verwaltungswesen der Stadt brachte. Kraffts Zögling war urplötzlich, sagt eine Quelle aus der Familie, verstört und verschwiegen. Was könnte einen Jungen von 12 Jahren zu solch seltsamem Verhalten gebracht haben? Der Verfasser des berühmten Buches „Goethe und Ilmenau“, der mit diesem Buch zum Professor gewordene Julius Voigt, verdächtigt den Aussagenden der Falschaussage. Warum? Goethe muss ja keineswegs etwas gewusst oder auch nur geahnt, kann aber bei Kenntnisnahme des „Falles“ vielleicht Probleme vorausgesehen haben. Wir verzichten auf alle Fälle auf die schöne unbewiesene Schlagzeile.
 Zuerst veröffentlicht in: Thüringer Allgemeine, 28. August 2009, Unterzeile:
 Des Geheimrats geheimer Informant aus Ilmenau - Lästerliche Mutmaßungen zu einem   Geheimnisvollen, nach dem Typoskript


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