Hundert Jahre "Goethe und Ilmenau"

Unter den vielen literarischen Jubiläen des Jahres 2012 hat eines alle Voraussetzungen, weithin übersehen zu werden. Es ist die hundertste Wiederkehr des ersten Erscheinens von „Goethe und Ilmenau“, jenes Standardwerkes zum titelgebenden Thema, an dem bis heute nicht nur niemand vorbeikommt, der sich mit der Sache beschäftigt, sondern dem auch bis heute niemand wirklich gravierend neue Erkenntnisse hinzugefügt hat. Sein Verfasser Julius Voigt hält sich auch deshalb in allen einschlägigen Literaturverzeichnissen.

Der Stadt Ilmenau und ihrem Fremdenverkehrsamt gehört das Verdienst, das lange vergriffene Werk in einer Reprintausgabe (Reprint-Verlag Leipzig, ISBN 978-3-8262-2203-0) dem interessierten Leser wieder zur Verfügung gestellt zu haben. Die Ilmenau-Information verkauft es gern und durchaus erfolgreich seit nunmehr auch schon wieder einigen Jahren. Dank guten Papiers sieht das knapp vierhundert Seiten starke Buch voluminöser aus, als es letztlich ist, die Schrift des Fraktur-Originals macht einen Reiz besonderer Art aus, erschwert aber jüngeren Lesern sicher zunächst die Lektüre.

Rosalinde Gothe hat dem Ganzen ein Nachwort gewidmet, datiert vom Oktober 1989, das sich sehr zurückhaltend gibt, wie auch der Autor Julius Voigt selbst kritische Dinge und Fragen weitestgehend ausblendete, manche sich fast aufdrängende Frage gar nicht erst stellte. Die Skizze zu Voigt, der am 30. Juni 1874 in Altenburg geboren wurde, am 16. November 1945 in Weimar starb, zeichnet ein freundliches Bild, ordnet das Buch in die lokalgeschichtliche Publikationstätigkeit ein. Voigt ist auf eine Ausschreibung hin nach Ilmenau gekommen, übernahm hier die Leitung der neuen Realschule, deren ersten Jahresbericht er schon zu Ostern 1905 gedruckt vorlegen konnte.

Wann genau „Goethe und Ilmenau“ 1912 zu kaufen war, ist nicht auf den Tag zu erschließen, die Nachwort-Autorin legt nahe, dass es Ende Februar/Anfang März gewesen sein muss. Voigt hat akribisch Quellen studiert, seine wissenschaftliche Befähigung schon 1897 mit seiner Dissertation über „Naturgefühl in der französischen Renaissance“ nachgewiesen und so ist es ihm gelungen, Dinge aus Goethes Leben darzustellen, die bis dahin auch guten Kennern bestenfalls ansatzweise bekannt waren. Das betraf einmal Goethes Aktivitäten, die Ilmenauer Stadtfinanzen wieder auf solide Fundamente zu stellen, zum anderen aber auch jene beiden Personen, die in Ilmenau seinen speziellen Schutz genossen: Johann Friedrich Krafft und Peter im Baumgarten.

Man kann „Goethe und Ilmenau“ noch heute gut lesen, wenn man dem natürlich etwas lehrerhaften und der wilhelminischen Zeit verhafteten Stil zu akzeptieren bereit ist, wenn man ebenfalls nachsichtig ist, den immer zu leichter bis mittlerer Verklärung neigenden Unterton betreffend. Man kann das Buch jedoch auch einfach zum Nachschlagewerk machen, einzelne Abschnitte und Kapitel sich vornehmen, die Dokumente lesen, die hinten in erfreulicher Zahl angehängt sind. Eine fotografische Aufnahme des Verfassers von der Halde des neuen Johannesschachts (Seite 281) zeigt wohl einen Strommasten an der nicht annähernd wie heute ausgebauten Erfurter Straße, sonst aber eine kahle Gegend. Ausklappbar eine Kux, die einen Anteil am neuen Ilmenauer Bergbau dokumentierte, der, wie bekannt, scheiterte, ehe er auch nur den ersten erhofften Ertrag einbrachte.
 Zuerst in: Thüringer Allgemeine, 29. Dezember 2011


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