23. November 2020

Der heutige 100. Geburtstag von Paul Celan hat allerorten bereits seine ganzseitigen gedruckten Schatten vorausgeworfen. Und ich kann immer noch kein schlechtes Gewissen entwickeln, dass mir dieser musterhafte Vorzeigedichter des alten Westens fremd geblieben ist. Wie hoch unter meinen Brüdern und Schwestern der Prozentsatz derer ist, die man nachts um 2.30 Uhr mit Finger in die Rippen wecken kann, um ihnen „Todesfuge“ ins Ohr zu brüllen und sie brüllen „Celan“ zurück, mag ich nicht abschätzen. Es könnte sein, dass es mit Celan so ist wie mit Tocotronic, der Diskurs-Band aller Edel-Feuilletons: kein Radio spielt sie, kein Fernsehen zeigt sie, keine Hitparade führt sie, aber ein kleiner feiner Kreis verdreht die Augen, wenn schon der Name fällt. Mich hat immer dieser Aufreißerblick gestört, den Celan auf dem am meisten gedruckten Foto zeigt, längst kenne ich das Original, aus dem das Porträt geschnitten wurde, der Schnitt ein Meister aus Deutschland.


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