Shakespeare: Wie es euch gefällt, Komödie am Kurfürstendamm

Meine Fernsehzeitung hat, nicht ahnend, wie sie mich als Zielgruppe nehmen soll, vorsichtshalber darauf aufmerksam gemacht, dass die fast auf den Tag drei Jahre alte Inszenierung der angelegentlich gern als leichteste der Komödien Shakespeares bezeichneten selbigen in der Regie von Katharina Thalbach womöglich Puristen ein Naserümpfen entlocken könnte. Meine Nase blieb glatt, auch wenn mich der Kampf gegen die Baumhaselpollen oft zum Schnieftuch greifen ließ und das lag nicht daran, dass ich kein Purist bin. Ich bin der ziemlich simplen Überzeugung, dass, wo Katharina Thalbach die Finger im Spiel hat, Naserümpfen einfach im Mimikrepertoire als Fehlgriff zu gelten hat. Wo sie ist, könnte ich sagen, ist vorn, und wenn sie Klamauk macht, ist Klamauk vorn. Denn es ist ja nicht so, dass Theater dazu da ist, seine Besucher reihenweise mit Betroffenheitsschockstarre in die nächstgelegenen Krankenhäuser zu befördern, hier und da sollte das Lachen auch auf den teuren Plätzen schon die Grenzen erreichen, die zwischen Kontinenz und Inkontinenz der Lacher/innen im besonders wahren Sinne fließend werden.

Ein lustiges Schreibmädchen hat seinerzeit von der Genderkarte geernstelt, als sie die Premiere vom 18. Januar 2009 zu Berlin sah. Mir ist, ehrlich gesagt, die Genderkarte völlig wurscht, ob sie ausgespielt oder in den Skat gedrückt wird. Ich gehe nicht ins Theater, um mir Belehrungen aus dem Fundus der taz-Frauenseite verbildlichen zu lassen und wenn das Theater zu mir nach Hause kommt per 3sat, dann freue ich mich herzlich, wenn Enkel schläft und Opa in Ruhe sein Notizblöcklein aufs Knie legen kann. Dann gucke ich einfach und weiß einen Tag, nachdem ich nach drei Stunden immer noch nichts wusste in Meiningen, dass ich hier Theater sehe, wie ich es mir bisweilen, wenngleich nicht immer, wünsche.

Fürs Fernsehen gibt es neben der Regie des Bühnengeschehens noch eine eigene Fernsehregie und die hatte Peter Behle. Die sorgt dafür, dass bisweilen sichtbar wird, warum Theater auch eine Spielstätte zugunsten der Darsteller sein kann. Großaufnahmen gibt es auf der Bühne für Zuschauer nicht. Wenn die Augen der Darstellerinnen also, in diesem Falle handelte es sich ausschließlich um Darstellerinnen, mitten in der größten Aktion mit der größten Sprachpräzision leblos bleiben, um nicht: tot zu sagen, dann sieht das nicht einmal der Theaterzuschauer in der ersten Reihe wirklich, der Fernsehzuschauer aber sieht es. Mich verweist es auf unübersteigbare Eigenheiten und die sicher etwas muffige Überzeugung, dass das Fernsehen in Sachen Theater keine Ersatzfunktion ausübt.

Zum Stück muss wenig gesagt werden. Shakespeare ist Shakespeare. Selbst wenn er scheinbar nur ein Verwandlungs- und Verkleidungsspiel betreibt, wenn aus dem Scheinbaren die Regie noch mehr Scheinbares bastelt, dann flutscht plötzlich mit einem Satz der volle Abgrund ins Geschehen. Wer eben noch Karina Krawczyk, speerschwingend, bekitterte, hat plötzlich die immer auf dem Topf sitzende und nie könnende Anna Thalbach zu vernehmen. Unter der Oberfläche des Hüpfens und Brüllens, des Alberns und Furzens werden auf einmal ganze Lebensweisheitsborne ergossen, die Textfassung, die Katharina Thalbach wählte, stammt von Thomas Brasch, was Wahlerklärungen überflüssig macht und die Puristennase ebenfalls glatt lässt.

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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