Shakespeare: Viel Lärm um nichts, Landestheater Coburg
Längeren Premierenbeifall habe ich entweder vergessen oder in erinnerlichen Zeiten nicht erlebt. Das Coburger Publikum, das schon vor der Pause und danach immer wieder zu Szenenapplaus neigte, war nach den zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) rundweg aus dem Häuschen. Was Susanne Lietzow da hat spielen lassen, geriet nach dem Geschmack im Parkett und auf den Rängen. Shakespeares „Viel Lärmen um nichts“ ist kein dünnes Brett, das mit dem spitzen Finger zu bohren wäre. Man kann „Viel Lärmen“ spielen, man kann übersehen, dass es „um nichts“ geht, man kann die Darsteller in den Paradeszenen, von denen es wahrlich mehrere gibt, überfordern oder wegschauen, wenn sie es ihrerseits zu leicht nehmen. Im Laufe der langen Aufführungsgeschichte auf deutschen Bühnen ist gerade diese Komödie immer wieder einmal zu schwer genommen worden oder es haben sich Partien so sehr verselbständigt, dass über den Kabinettstücken das Ganze sich fix aus den Augen verlor.
Susanne Lietzow hat eine Variante gewählt, die sehr viel für sich hat. Sie hat allen Darstellern fast gleichmäßig die Chance gegeben zu glänzen und sie hat den Glanzpunkten, ohne dass diese dadurch schmerzhaft verloren, leichte Mattierung verordnet. Die Inszenierung leidet, wenn man denn gern ein wenig Leiden diagnostiziert haben mag, eher an zu vielen als an zu wenigen Einfällen. Nach der Pause verwandelt sich das abgemessene Dauerfeuer an Spielideen in eine wahre Orgie und das kann dann auch schon mal in die Nähe des Überladens rutschen. Um Leberwurstfreunden verständlich zu sein: das sind die Stellen, wo auch noch Butter zum Einsatz kam und zwar unter der Wurst. Wie sich alles entwickeln sollte, war von Beginn an mit dem Tigerfell aus Freddy Frintons „Dinner for One“ hinreichend klar. Marie Luise Lichtenthal, die auch schon bei den „Geschichten aus dem Wienerwald“ gut mit Susanne Lietzow harmoniert hatte, verkniff sich jeden Versuch mit den üblichen Versatzstücken der Bühnenbild-Moderne.
Sie stellte da einen Elefantenfuß, dort einen Pavianfelsen hin. Hinten sah man den Prospekt mit Ruinen und Meer, in der Mitte gab es eine Art Pool, es gab eine echte Ottomane, Zweisitzer, Dreisitzer in Leder, es standen Blumenkübel umher, die urplötzlich in Funktion von Dickicht traten, was Zusatzlacher hervorrief. Es gab vor allem massig Lampenschirme mit der wunderbaren Botschaft: Masken waren gestern. Zum Horvath-Team gehörten auch schon Gilbert Handler für die Bühnenmusik (den Programmheften eingelegt, gute Idee) und Dramaturg Georg Mellert, auf Tortenresten rutschen durfte das Quartett aber jetzt erst, als „Viel Lärmen“ verebbt war. Einige der Spielideen seien herausgehoben. Es gibt bei Shakespeare den doppelten Verlauf, dass Benedikt und Beatrice Zeugen von inszenierten Unterhaltungen werden, deren Sinn darin besteht, den jeweiligen Lauscher davon zu überzeugen, heftig geliebt zu werden. Der Altmeister erfindet zu diesem Zweck Lauben, Susanne Lietzow lässt Niels Liebscher, den Edelmann aus Padua, der mit seinem Namen Benedikt sogar eine Anspielung auf den aktuellen Papst ermöglicht, unter das Tigerfell schlüpfen. Das muss man gesehen haben, wie er mitten unter den Redenden steht oder zu ihre Füßen liegt wie ein Bettvorleger. Und Kerstin Hänel, die als Beatrice zu lauschen hatte, posierte als Plastik, wenn die Damen Hero und Margarete (Philippine Pachl und Anna Staab) den Benedikt in höchsten Tönen lobten. Dabei umkreiste sie den Pool und als sie vorn angekommen war, sah sie plötzlich und auch nur sekundenlang aus wie Rodins „Denker“. www.landestheater-coburg.de
Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.