Zum Todestag von Federico Garcia Lorca
„Weil du auf unsrer dürren Erde / Warst das Grün, in unsrer finstren / Luft die Bläue, brachten sie dich um.“ Diese Zeilen stehen in dem Gedicht „Auf den Tod eines Dichters“ von Luis Cernuda, gewidmet Federico Garcia Lorca, der am 19. August 1936 nahe Granada von spanischen Faschisten erschossen wurde. Zwei Monate zuvor hatte Garcia Lorca sein letztes großes Stück beendet: „Bernarda Albas Haus“, einen Monat zuvor war der unselige Funkspruch durch den Äther gegangen „Über ganz Spanien wolkenloser Himmel“ - Signal zur Auslösung des Franco-Putsches, der dem eben aus halbfeudalen Verhältnissen erwachenden Spanien Bürgerkrieg und lange Jahre der Diktatur brachte.
Nur 38 Jahre alt wurde der Dichter, geboren am 5. Juni 1898, im Jahr den endgültigen Zusammenbruchs des spanischen Kolonialimperiums. Mit seinen „Zigeunerromanzen“ hatte er Berühmtheit erlangt, war in vielem der Inbegriff des Dichters geworden. Tradition und Modernität flossen in seiner Dichtung zusammen, wie das vielleicht nur in Spanien möglich war, innerhalb eines kulturellen Aufbruchs, der nur mit der Blütezeit spanischer Kultur dreihundert Jahre zuvor zu vergleichen ist. Nicht zufällig war es der 300. Todestag von Gongora 1927, welcher einer ganzen Generation den Namen gab, der „Generation von 1927“.
Garcia Lorcas Nachruhm war auch durch die faschistische Diktatur nicht dauerhaft zu unterdrücken, schon 1954 erschien eine Gesamtausgabe seiner Werke in Spanien und kein großer Dichter dieses Jahrhunderts versagt ihm seine Anerkennung als einem modernen Klassiker. Garcia Lorca hat sich nie vordergründig engagiert und selbst seine berühmte „Romanze von der spanischen Guardia Civil“, die ihm den Hass seiner Mörder eintrug, ist kein tagespolitisches Produkt. An den Karren seines Wandertheaters „Barraca“ hatte er das Wahlprogramm der Volksfront geheftet und auf den Dörfern Andalusiens klassische Stücke aufgeführt.
Seine eigenen Stücke „Yerma“, „Bluthochzeit“, „Die wundersame Schustersfrau“ regen Regisseure von Theater, Film und Ballett zu Inszenierungen an, auch Brecht hatte in seiner erste Spielplankonzeption im eignen Haus Garcia Lorca eingeplant. Brecht hat auch auf die Schwierigkeit hingewiesen, die der Genuss der Gedichte Garcia Lorcas bereitet. Das war 1950. Heute, fünfzig Jahre nach der Ermordung des großen Dichters, ist unsere Fähigkeit, sein Werk genussvoll aufzunehmen, ausgebildet.
Zuerst veröffentlicht in FREIES WORT, 35. Jahrgang 1986, Nr. 193, Seite 6
16. August 1986, Überschrift: Das Volksfront-Programm am Theaterkarren, nach dem Typoskript