Arthur Eloesser: Berliner Landsturm
Wenn Herausgeber aus einem Original-Buch Teile eliminieren, um auf diesem Weg eine reduzierte Neuausgabe zu produzieren, so tun sie nichts Unrechtes. Die gesamte DDR-Editionsgeschichte von Büchern, alten wie neuen, ist von dieser Praxis durchzogen. Immer wähnte da jemand, dieses oder jenes Element des ursprünglichen Text-Bestandes aussondern zu müssen, weil es Menschen gab, die zu wissen glaubten, was für DDR-Leser gut, was schädlich für sie sein könnte. Just dieses Wissen macht mich aber zutiefst misstrauisch, wann immer und wo immer ich dieses Praxis begegne. Im vorliegenden Fall geht es um das 1919 im Verlag Egon Fleischel & Co. Berlin erschienene Buch „Die Straße meiner Jugend. Berliner Skizzen von Arthur Eloesser“. Das leserfreundlich gedruckte Buch mit einem wenig einladenden Straßenzug auf dem Cover umfasste 177 Seiten. Als Verleger Peter Moses-Krause 1987 das an sich löbliche Vorhaben realisierte, dem zu diesem Zeitpunkt (und später weiterhin) völlig unbekannten Autor Arthur Eloesser (1870 – 1938) neue Aufmerksamkeit zu organisieren, hatte er die seltsame Idee, einen ganzen dreiteiligen Text des Originals wegzulassen. Wenn die so gekürzte Neuausgabe später als Beginn einer kleinen Eloesser-Renaissance gedeutet wurde, dann war das eine mehr als euphorische, letztlich eine mit nichts begründete Interpretation.
Die mit einigen zeitgenössischen Fotografien ausgestattete Neu-Ausgabe arbeitet mit einer recht seltsamen Strategie: vorn im Klappentext zitiert sie werbend aus einer Buchkritik, die Kurt Tucholsky 1920 in der „Weltbühne“ veröffentlichte. Hinten begründet Peter Moses-Krause mit just dieser Kritik, warum er nicht weniger als 32 Druckseiten des Originals für sein Manuskript strich. Ich verweise auf meine zum 150. Geburtstag von Eloesser hier publizierte Kritik zur Neuausgabe: http://www.eckhard-ullrich.de/buecher-buecher/3985-arthur-eloesser-die-strasse-meiner-jugend. Dass ausgerechnet Kurt Tucholsky seinen Lesern vorspiegelte, er sei willens, aus einem gedruckten und gebundenen Buch Seiten herausreißen und den Rest dann neu binden lassen, hat mich, ich kannte seine Kritik vorher nicht, einigermaßen erschüttert. Dass der zwanzig Jahre jüngere Jude Tucholsky manches in seiner Welt anders sah und wertete, als der ältere Jude Arthur Eloesser, mag nur jemanden verwundern, der professionell auf Wurstsuppen rudert. Dass der spätere Hardcore-Pazifist Tucholsky sich angesichts von „Berliner Landsturm“ in einen regelrechten Leser-Ekel steigerte, hat womöglich sehr private Gründe. Jedenfalls lohnt es sich, in Tucholskys Biographie zu schauen, etwa in Michael Hepps mit „Biographische Annäherungen“ untertiteltes Buch von 1993.
Dort findet sich im Zuge der Behandlung von Tucholskys eigener Militärzeit, er hatte keineswegs den Dienst verweigert oder war gar, um ihm auszuweichen, ins Ausland gegangen, die folgende Passage, auf Seite 106 der Rowohlt-Taschenbuch-Ausgabe leicht nachzulesen: „Viele seiner Briefe und Artikel vermitteln den Eindruck, als ob es zwei verschiedene Kurt Tucholskys gegeben habe, die nebeneinanderstanden und sich gegenseitig beobachteten. Die Schärfe, in der er später vor allem mit den Etappenoffizieren abrechnete, steht in deutlichem Kontrast zu seiner eigenen Haltung während des Krieges.“ Das Thema soll hier nicht weiter ausgebreitet werden, so verlockend es auch erscheint. Hier muss es reichen, die Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, dass Arthur Eloessers dreiteilige Skizze gar nicht mehr behandelt als seine Einberufung im Jahre 1914, seinen Dienst in der Etappe im Elsass, den er als ausbildender Unteroffizier versah (unter anderem in Waffenkunde), und schließlich seinen Aufenthalt im Lazarett, wo sich eine „Schwester Marie“ sehr fürsorglich und für den Lungenkranken beispielhaft, um ihn kümmerte. Es ist, freundlicher kann ich das nicht formulieren, haarsträubend, wie sich Tucholsky hier unter seinem Pseudonym Peter Panter auslässt. Wer mag, kann in der „Weltbühne“, 16. Jahrgang, Nr. 3 vom 15. Januar 1920 nachlesen.
„Habt ihr den süßen Bonbon meiner Kritik bis hierher gelutscht: ein kleiner bitterer Kern ist darin. Ich kann keine gutmütigen berliner Kriegserinnerungen leiden. Ich mag das nicht. Scheltet mich einen starren Pedanten, einen ausgepichten Pazifisten – ich mag nicht, dass der ekelhafte Endzweck durch bürgerliche Freundlichkeit überkleistert und vergessen gemacht wird – ich mag nicht. Menschen zum Töten abzurichten ist kein Spaß, und diese grauenhafte Sachlichkeit, die dann wieder in kindliche Gutmütigkeit überging - ein für andre Völker unfassbarer Zug -, ist, tiefer betrachtet, das Schlimmste vom Schlimmen, ohne dass sich einer der Beteiligten etwas dabei gedacht hat. Also: diese Kapitel lasse ich mir vom Buchbinder herausnehmen. Denn hübsch gebunden wird das Buch. Weils so nett ist.“ Wer dies nicht nur zitiert, sondern auch als Begründung nimmt, warum er selbst den herausnehmenden Buchbinder spielt, der erweist seinem eigenen, auf Arthur Eloesser bezogenen Wiederentdecker-Ehrgeiz einen maximalen Bärendienst. Er macht ja aktiv auf die Lücke aufmerksam und wird wenigstens all die Leser, denen ideologisch begründete Meid- und Verschweigebewegungen zuwider sind, mobilisieren und auf das Original lenken. Das führt zu einer sehr bekannten Folgerung: Der Kritiker Panter muss ein anderes Buch gelesen haben.
Ich zum Beispiel, der ich nicht, wie Arthur Eloesser offenbar, den Dienst als Einjährig-Freiwilliger absolvierte nach dem Abitur im September 1888 (wann genau, ist den mir bekannten Quellen bis heute nicht zu entnehmen), sondern als Anderthalbjährig-Unfreiwilliger von November 1971 bis April 1973, fühlte mich auf etlichen der 32 Seiten wieder und wieder stark an eigene Erfahrungen erinnert. Das Fragezeichen gehört in diesem Fall nicht hinter den Dienst im kaiserlichen Heer, sondern hinter meinen in der vermeintlich sozialistischen NVA der DDR. Hat Soldatsein etwas von einer historischen Naturkonstante? Während Eloesser im zweiten Abschnitt seiner Skizze nur schildert, wie mühsam es für ihn ist, einen waffenkundlichen Vortrag zu halten, der die Rekruten, mit tausend von ihnen ist er eingerückt, nicht langweilt und abschalten lässt, erinnere ich mich der blitzenden Augen eines Oberfeldwebels sehr genau, als er uns darlegte, wie man das in den Gegner gestoßene Bajonett zu drehen hat, damit es maximale Wirkung erzielt. Hätte Tucholsky das erlebt, er wäre wohl zum exzessiven Sozialismus-Hasser geworden, Eloesser wäre ihm vorgekommen wie ein Apostel des Kasernenhof-Pazifismus. Man hat, das muss gesagt sein, bei der Betrachtung solch harmloser Erinnerungen an andere zu denken, die vom Kriegsbeginn 1914 geradezu schwärmten.
„Berliner Landsturm“ von Arthur Eloesser enthält keinen einzigen irgendetwas verherrlichenden oder erkennbar beschönigenden Satz, auf Militärisches bezogen. Auch scheinbar krude Thesen, wie die von der eigentlichen Demokratie in dieser Armee gewinnen eine ganz andere Substanz, wenn man sich vor Augen führt, welche Ungleichheiten der zivilen Welt selbst dieses kaiserliche Heer des Jahres 1914 einebnete: die zwischen Bürgerlichen und Adel (Offiziere entstammten noch immer sehr häufig dem Adel), die zwischen Juden und Christen (nicht wenige Juden versuchten, bewusst oder unbewusst, ihr Anderssein durch schneidigen Patriotismus auszugleichen, man kennt aus den Jahren nach 1933 jüdische Berufungen auf im Ersten Weltkrieg erworbene Eiserne Kreuze), aber auch die zwischen Akademikern und „Volk“, den, seltsam genug, die Akademiker wiederum nicht selten deutlich wohltuender empfanden als das „Volk“. Der nie zu unterdrückende Wunsch nach Zugehörigkeit zu größeren Kollektiven bewegt promovierte Herren in Uniform, vor allem wenn sie es als Juden eben nie zu höheren Dienstgraden bringen konnten. Als Arthur Eloesser einrücken musste, empfand er keineswegs Jubel, doch hatte er den Einberufungsbefehl immerhin ungeduldig erwartet. Mit „Endlich kam die Einberufung…“ beginnt er „Ausmarsch“, die erste der drei Skizzen.
Als ich einrückte Anfang November 1971, war ich noch keine 19 Jahre alt. Als Eloesser einrückte irgendwann nach der Schlacht bei Tannenberg, es muss also auf alle Fälle schon September 1914 gewesen sein, eher später, denn die Schlacht endete am 30. August, war er 44 Jahre alt, verheiratet, hatte zwei Kinder, den Sohn Max (Jahrgang 1905) und die Tochter Elisabeth (Jahrgang 1907), dazu seine Frau Margarete (Jahrgang 1881). Er war also ein gestandener Mann, ein Mann, der fast 14 Jahre exponiert für die „Vossische Zeitung“ gearbeitet hatte, er wohnt seit etwa sechs Jahren in der Dahlmannstraße 29 in Charlottenburg. Zu melden hatte er sich, wie „Ausmarsch“ zu entnehmen ist, beim Bezirkskommando I. Das befand sich wie auch drei weitere Bezirkskommandos (II bis IV) in der damaligen General-Pape-Straße, von Eloessers mit Parkettboden ausgestatteter Wohnung etwa neun Kilometer entfernt, wenn er hätte laufen müssen. Er aber hatte ein Auto gerufen, das ihn bringen sollte. Man sieht: der einrückende Unteroffizier konnte es sich leisten. Und so nimmt der heutige Leser es als kulturhistorisches Faktum, dass der leicht gehobene Rekrut etliche Dinge selbst mitbringen durfte oder gar mitzubringen hatte. Unter anderem nimmt er ein langes Halstuch mit „schwarz-weiß-rotem Monogramm“ mit. Und las vorher die Police seiner Lebensversicherung!
Eloesser, das verrät er in „Ausmarsch“, hatte eine Lebensversicherung, die den Kriegsfall in der Tat vorsah als mögliches Risiko: „… welcher Schriftsteller hat jemals einen Vertrag zu Ende gelesen …“, kommentiert er. Womit klar ist, wie er sich sieht: als Schriftsteller. Dennoch verrät er nicht, aus welcher aktuellen Tätigkeit ihn die Einberufung holt, noch überhaupt Literarisches. Zwei Namen tauchen in „Ausmarsch“ auf: Dante und Paul de Lagarde, letzterer galt als erzkonservativ und war bekennender Antisemit. Eloesser zitiert ihn mit milder Ironie, keineswegs aggressiv distanzierend. Und marschiert mit den im Befehl verlangten „dauerhaften“ Marschstiefeln in der Wohnung umher, was er sonst und früher niemals getan hätte. „… und eisern, kriegerisch, herausfordernd klang der schwere Tritt des Hausherrn auf dem sonst geschonten Parkett der Wohnung. Der Mann war wieder die Hauptsache, die natürliche Weltordnung von neuem hergestellt, und alles Weibliche zärtlich sorgend um ihn bemüht, so wie es in härteren Zeiten gewesen war und eigentlich immer sein sollte.“ Ist die Ironie in all dem überhörbar? „Der Staat fing an, für mich zu sorgen, er hatte mich in seine festen Vaterhände genommen, und hinter mir lagen Sorge, Verantwortung, Beruf, Theater, Literatur, Familie mit allen beschwerenden Banden der Zärtlichkeit.“ Es folgt der Kasernenhof.
Das ist noch nicht der im Elsass, irgendwo bei Straßburg, auch diese Örtlichkeit wird nicht verraten, das ist noch nahe beim Bezirkskommando, für die General-Pape-Straße sind nicht weniger als drei Kasernenhöfe bekannt mit ihrer Nähe zum Tempelhofer Feld, 1933 gab es dort schließlich ein SA-Gefängnis, an das 1914 natürlich noch nicht zu denken war. „Es ist ein feiner Abschied, wenn man nicht weiß, ob man wiederkommt …“. Sind das gutmütige Kriegserinnerungen? „Da entwickelt sich bald die eigentümliche Fröhlichkeit, die den Soldaten auszeichnet, die Neigung zum Ulk, der spielende Mutwille wie von jungen Hunden …“. Da sieht einer viel genauer als jeder, der schon verurteilt, bevor er gelesen und verstanden hat. „Zunächst fängt der Krieg ja als Reise an, als eine Landpartie in guter Gesellschaft. Der wahre Deutsche, sagt der Prophet Lagarde, reist nur selten, aber dann mit der Flinte auf dem Buckel, und dann ist er hochgeachtet.“ Könnte der Jude Arthur Eloesser den Antisemiten Lagarde ernsthaft einen Propheten genannt haben? „Die Damen vom Vaterländischen Frauenverein sind mit Wurststullen und Kaffeetöppen nach Tempelhof ausgerückt.“ Der Schriftsteller hält fest, dass es damals sogar noch Zungenwurst und Milch in den Kaffee gab. Warum wohl? Weil es das eben schon bald nicht mehr gab. Und er erinnert sich an ein Manöver.
Im Zug sieht er einem Landsturmmann zu, wie der den sozialdemokratischen „Vorwärts“ liest, und kommentiert: „Das ist eben der Burgfriede“. Die von der Sozialdemokratie mit einer Ausnahme namens Liebknecht bewilligten Kriegskredite spielten für Arthur Eloesser in diesem Augenblick keinerlei Rolle. Er registriert die seltsame Reisestrecke des Transportzuges und jeder, der je einen Bahntransport in Uniform erlebte, kann das nachempfinden: man steht auf Nebengleisen, man wartet, man weiß nie, wann es weiter geht und wohin genau. Immerhin ist auch das unterwegs zu registrieren: „Manche von den Kindern der Ebene hatten noch nie einen richtigen Berg gesehen, sie wurden recht andächtig, als am Morgen die Sonne den grünen fränkischen Bergen die Nebelhemden wegzog“. Natürlich ist das eine freundliche Sicht. Hätte der weit gereiste Journalist und Autor, der Frankreich kannte und England und Italien, der in Holland Urlaub erlebt hatte und mit dem Schiff in Amerika war, hochmütig und verächtlich auf diese Muschkoten herabsehen sollen? Wenn dann von den vorgeschriebenen Bestandteilen der Morgensuppe die Rede ist, auch das überlas Tucholsky großzügig, dann schließt das immer das Wissen um spätere Zeiten ein. Die zweite der Skizzen heißt „Truppenübungsplatz“. Sie enthält den Hinweis auf Tannenberg, einige Landwehrleute waren dort.
Kein Wort über Kriegsverluste, doch indirekt sind sie da: 1000 Männer sollen Bataillone auffüllen, nur zu diesem Zwecke finden sie sich im Elsass, einige von ihnen haben schon Erfahrung, eben zum Beispiel Tannenberg im Osten, anderen müsse erst einmal Kurse in Waffenkunde absolvieren: theoretisch und praktisch. „Östlich von uns war Friede und westlich der Krieg …“. Alles ist da, sogar dieser Impuls beim Überqueren des Rheins: „… innerlich wird die Wacht am Rhein angestimmt …“. Es ist eine sehr dumme und sehr rhetorische Frage, ob ein deutscher Jude das 1914 so empfinden darf. Er darf natürlich. Auch das darf er sagen: „Denn die Kameradschaft ist die Hauptsache, die über alles, Ungeduld, Langeweile, Entbehrung hinweghilft.“ Man muss nicht als Kontrastbegriff etwa von Kameraderie reden, um einen vermeintlich besetzten Begriff rein zu halten. Sehr viel später hat Franz Fühmann unter dem Titel „Kameraden“ eine derart musterhafte Novelle verfasst, dass man ihr den Reißbrettentwurf anmerkt und verstimmt ist, so gut sie gemeint war. Hier aber schrieb ein Mann von 44 Jahren, der auch isoliert hätte sein können, den man hätte meiden können. Bei seiner ersten Waffeninstruktion fühlt sich Eloesser „wie ein junger Privatdozent vor seinem Auditorium.“ Und glaubt, es ordentlich gemacht zu haben. „Denn der Soldat muss auch lachen, wenn er in Schwung bleiben und über die Einförmigkeit der Ausbildungszeit hinweggeführt werden soll. Traurige Soldaten taugen nichts, und der Vorgesetzte ist verpflichtet, witzig zu sein.“
Im nächsten Weltkrieg nehmen traurige Soldaten wie Heinrich Böll Pervitin. Und wieder beobachtet Eloesser sehr genau, vor allem auch sich selbst: „Es dauert nicht lange, und man schafft sich ein Unteroffiziersgemüt an“. Und er versteckt nicht seine Bewegung: „Niemand kann gleichgültig bleiben, wenn er einen Trupp Feldgrauer ausmarschieren sieht“. Es ist ihm bewusst, dass der letzte Händedruck der letzte im Leben der Ausmarschierenden gewesen sein könnte, natürlich ist ihm das bewusst. Und „Schwester Marie“ beendet den „Berliner Landsturm“. Ein Sprung über einen Graben, der eben offenbar noch mühelos gelang, will auf einmal nicht mehr gelingen, „in der Lunge rasselt etwas“ und sofort kommt wieder diese Ironie hoch: „Die sechs Ärzte um den Strohsack, die meine für mich jetzt überflüssig gewordenen Zigarren rauchen, glauben noch alle an die Heilkraft des Alkohols.“ Natürlich sind das keine Ärzte, sondern die Kameraden, die sofort an sich denken. Was den Kranken wiederum dahin brachte, dass er seine „Korporalschaft als Universalerbin“ einsetzte „an Zigarren, Zigaretten, Wurst, Speck, Schmalz, Sardinen, Heringen, Kakaowürfeln, Bouillonkapseln“. Das ist natürlich Galgenhumor, kann man das überlesen? Eloesser wird nach H. verlegt, dort landet er in einem Bürgerspital, damit in den helfenden Händen von Schwester Marie.
Die Skizze vermeidet nähere Auskünfte, die Suche nach einem Ort mit Bürgerspital im Elsass endet für mich in Haguenau. Dort also könnte er gelegen haben, bis sein Gesundheitszustand gut genug war, um nach Hause entlassen werden zu können. Vorher aber noch solche Erlebnisse: „Aha, Eisumschläge! So etwas habe ich noch nie bekommen, und ich fühle mich wohlversorgt, bevorzugt und ausgezeichnet: ein beachtenswerter Fall.“ Und Schwester Marie? „…sie schaut mit so mütterlichen Augen, dass man unter ihrem Blick immer jünger und kleiner wird.“ Der Kranke fragt sich: „Wie hält ihr Herz es aus, sich so unbewahrt hinzugeben? Vielleicht, weil ihre Frömmigkeit ganz Güte und ihre Güte ganz Tätigkeit geworden ist.“ Denn: „…denen, die nicht genasen, die noch einmal die kleine Hand streichelten, hat sie den Abschied leicht gemacht.“ Hat Tucholsky das wirklich gelesen?? Das Spital kümmert sich übrigens nicht nur um Kriegsversehrte, sondern auch um Waisenkinder. Und so endet „Berliner Landsturm“: „Schwester Marie reicht mir ein Glas elsässischen Rotwein, eigenes Wachstum des Bürgerspitals, lächelt sehr schelmisch an mir vorbei: „Der Herr Doktor aus Berlin ist wohl doch ein frommer Mann!“ Darüber durfte der Leser 1919 nachdenken, nachdem er das Buch zugeschlagen hatte. 1987 wurde ihm das einfach vorenthalten.