Toback ist ein Specificum

Ilmenau. Von Goethe selbst haben wir nur eine lapidare Nachricht über das Ereignis, Ausschmückungen erlaubte er sich in seinen Tagebüchern eher selten: „d. 12 kam Peter an. Früh Conseil“.  Die hübsche Formulierung des Geschehens, wie sie auch gut informierten Lesern der TA-Goethe-Seite vom 22. März vorigen Jahres nicht im Detail vertraut war, geht auf Wilhelm Bode zurück, den einst berühmten „Goethe-Bode“. Dessen Geburtstag am 30. März 1862 jährt sich kommende Woche zum 150. Male und wird vielleicht sogar Anlass, seinen Leistungen in Goethe-Forschung und Goethe-Darstellung wieder etwas mehr Gewicht beizumessen.

Bode also war es, der aus den nicht allzu reich überlieferten und zu seinen Lebzeiten auch noch nicht zur Gänze erschlossenen Quellen seine Darstellung vom Knaben niederschrieb, der eines schönen Tages im Garten am Stern zu Weimar stand, es war der 12. August 1777, „der eine Tabakspfeife im Mund hatte und einen schwarzen Spitz Hänsli bei sich führte.“ Das klingt so Vertrauen erweckend, dass es sich fortschreibt, zumal Bode, der an den Folgen eines Verkehrsunfalles am 24. Oktober 1922 verstarb, ohne sein vielbändiges Opus Magnum, „Goethes Leben“ vollendet zu haben, nie in den Ruch des Unseriösen kam. Dennoch darf gefragt werden, woher er die Kenntnis des Namens und der Farbe des Spitzes bezog, als er die Einzelheiten in sein 1919 erschienenes Buch „Goethes Leben im Garten am Stein“ aufnahm.

Die Rede ist von Peter im Baumgarten, jenem Knaben aus dem schweizerischen Haslital, dem auch die neu gestaltete Ausstellung im GoetheStadtMuseum Ilmenau ihre Referenz nicht versagt hat. Er kam, nachdem er die Erziehungsanstalt in Marschlins in Graubünden verlassen hatte,  auf nicht dokumentierte Weise nach Weimar und von dort später auch nach Ilmenau. Worüber deutlich mehr bekannt ist. Sein Gönner Heinrich Julius von Lindau war bald nach seiner Ankunft in Amerika in einem der ersten Gefechte seines Einsatzes im Unabhängigkeitskrieg von einer Kanonenkugel tödlich verletzt worden. Die von Bode erzählte Pfeifengeschichte geht womöglich auf ein Schreiben Goethes zurück, in dem er aus Eisenach an Frau von Stein die Bitte übermittelte (6. September 1777): „Grüßen Sie Petern und bitten Sie Kästnern, nur einige Pfeifen ihm des Tages abzubrechen, denn ich halte den Toback denn doch bei so einem Jungen für ein Specificum.“ Kästner war der damalige Hofmeister bei Charlotte von Stein, später wurde er Gymnasiallehrer im Weimar.

Diese und weitere aufschlussreiche und bei Anrechnung eines etwas altmodischen Stils lesenswerte Forschungsergebnisse zum geheimnisvollen Knaben aus Meiringen verdanken wir dem Schweizer Literaturwissenschaftler Fritz Ernst, der 1941 in Erlenbach sein schmales Buch „Aus Goethes Freundeskreis. Studien um Peter im Baumgarten“ veröffentlichte. Ernst (1889 bis 1958) erlebte noch die Lizenzausgabe seiner Schrift im Rahmen der damals neu in den Buchmarkt startenden Bibliothek Suhrkamp im Jahre 1955. Und bis heute ist, so weit überschaubar, substantiell Neues in der Sache nicht vorgelegt worden. Es ist wohltuend zu lesen, wie weit entfernt von jeder Sensationsmacherei Fritz Ernst den Umstand erwähnt, dass es Gerüchte gab, Anna Amalia sei die Mutter des Knaben, was die sonst schwer erklärliche Fürsorge Goethes für den Schützling seines Bekannten aus der ersten Schweizreise 1775 verstehbar mache.

Von Peter selbst ist wenig überliefert, ein Schreiben an seinen Gönner Goethe ist allerdings darunter, in dem geht es um seine vermeintlich hohen Ausgaben als Jagdbegleiter in Stützerbach. Viel später hat Goethe die Patenschaft über Peters drittes Kind, die Tochter Johanna, übernommen. Und 1780 sah sich Urfreund Knebel in Peters alter Heimat in der Schweiz um, ziemlich sicher im Auftrag Goethes.
 Zuerst in: Thüringer Allgemeine, 22. März 2012 , Unterzeile:  Goethes Ziehsohn
 Peter im Baumgarten beschäftigte die Forscher; Manuskriptfassung, siehe auch:
 Pfeife im Mund, Spitz an der Leine


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