Editorial

Wahrscheinlich ist jeder beliebige Größenwahn harmloser als die Eröffnung einer eigenen Internetseite. Es ist der Sprung eines Tropfens ins Meer, mit dem Ehrgeiz, noch nach der Landung aufzufallen. Im Wissen, dass all die großen, die ganz großen und die allergrößten Medien mit ihrem Auftritt im Netz kein Geld verdienen, wie sie gern klagen, um ihren Lesern, die in diesem Falle ja User heißen, ihre eigene Generosität vor Augen zu führen, bin ich bescheiden. Ich will bloß da sein. Im Wissen, dass jene, denen mein Neid gilt, seit ich sie kenne, weil sie ihr Blatt einzig und allein selbst füllten, wahrscheinlich glücklicher waren, als jene armen Wesen, die heute am News Desk den generierten content auf die Fertigseiten klatschen wie der Fließband-Pizza-Bäcker die Tomatensoße auf den Rohteig, bin ich unbescheiden. Ich will wahrgenommen werden.

Verschiedene Rubriken habe ich mir eingerichtet und sie alle zusammen sind am Ende nur das, was die Medienforschung als latent überflüssig ansieht, weil es, gesicherten Erhebungen zufolge, nur von drei bis fünf Prozent der Leser gelesen wird: Feuilleton. Drei bis fünf Prozent sind so schlecht nicht, sage ich mir, und Rubriken, das habe ich gelernt, sind das Alpha und das Omega einer ehrgeizigen Zeitung. Ich kannte einen Chefredakteur, der warf sogar Mitarbeiter auf die Straße, weil sie seine Rubriken nicht so toll fanden wie die, die sie selbst erdacht hatten. Meine Rubriken sind meine Rubriken. Das heißt: Sie haben mit Büchern zu tun und mit Theater, mit Autoren und mit der DDR. In der habe ich die ersten 37 Jahre meines Lebens gelebt. Sie haben mit der Schweiz zu tun, deren Bürger ich in einem zweiten Leben gern wäre, und mit dem Reisen, von dem ich in den genannten 37 Jahren mir angewöhnt hatte, es nicht so wichtig zu finden.

Auch der Graphentheoretiker und der Professor für serielle Ontologie des Unwirklichen geht, wenn seine Verdauung kein Fall für die Universitätsklinik ist, regelmäßig aufs Klo. Er steht an Ampeln, hustet, wenn er sich verschluckt hat und hasst die Welt, wenn ihm der Gemeinderat per Aufstellungsbeschluss eine Ziegenmastanlage in die Sichtachse seines selbst gebauten Baumhauses setzen lassen will. Weil das so ist, gibt es hier neben allem anderen auch Lokales. Es wird der Versuchung widerstehen, den Aktualitäten mit hängender Zunge nachzuhecheln.

Wer sich entschließt, regelmäßiger Leser dessen zu werden, was ich ihm anbiete, wird zweierlei bemerken. Es kommt Neues im Modus des Überraschungsrhythmus, Altes bleibt eine Weile stehen und verschwindet nach festen Regeln. Manchmal wird sich das Urteil nicht vermeiden lassen: Frechheit. Die Frage: Wer ist das denn?? hörte ich schon aus Berlin Ende der 80er Jahre, als ich den gedruckten Blödsinn einer auch heute noch namhaften Reporterin gedruckten Blödsinn nannte. Mein Blick in die Medien ist die erste Rubrik ganz oben. Das bringt der Beruf mit sich als Nebenfolge. Die Rubrik Demnächst steht am Ende, sie verrät, wo es mich gibt, wenn es mich für eine Öffentlichkeit gibt. Das kann mit Eintritt verbunden sein. Hier aber kostet es nichts.

Ilmenau, im Mai 2011
ECKHARD ULLRICH

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