Carl von Ossietzky 1988

Der österreichische Kommunist Bruno Frei, selbst ein bedeutender Publizist und Schriftsteller, hat allen, die sich mit Carl von Ossietzkys Leben und Werk auseinandersetzen, einen wichtigen Gedanken nahegelegt: „Nichts wäre törichter, ja nichts würde so jeden Sinnes entbehren als der Versuch, diesem Großen ein Beharren auf einmal gefaßten Meinungen nachweisen zu wollen. Er hat sie geändert. Das eben spricht für ihn, für sein Menschliches, denn das Beharren ist unmenschlich.“

Carl von Ossietzky starb, von der Gestapo streng bewacht, am 4. Mai 1938 im Berliner Nordendkrankenhaus. Er starb an den Folgen der Haft in der Festung Spandau und in den Konzentrationslagern Sonnenburg und Papenburg-Esterwegen, wohin ihn die Nazis nach seiner Verhaftung in der Nacht des Reichstagsbrandes gebracht hatten. Carl von Ossietzky starb als Symbolfigur, als Träger des Friedens-Nobelpreises, als weltbekannter, unerschrockener Kämpfer gegen den deutschen Faschismus, gegen den deutschen Militarismus.

Für seine Freilassung war eine breite internationale Solidaritätsbewegung eingetreten. Arnold Zweig hat vorausgesehen, daß die deutschen Faschisten Carl von Ossietzky nicht lebend aus ihren Klauen lassen würden und er hat ihm, dem Sterbenden, nachgesagt: „Er, Carl von Ossietzky, wird zu den wenigen Deutschen gehören, die Deutschlands Ehre innerhalb Deutschlands Grenzen bis zum letzten Atemzug verkörpert haben, in einer vom Müll verschütteten und verpesteten Zeit.“ Und Arnold Zweig hat auch die persönliche Tragik Carl von Ossietzkys sehr treffend beschrieben: „Er wußte, mit wem er es zu tun hatte, und er wußte es auch nicht.“

Als politischer Journalist hat Carl von Ossietzky seine Gegner getroffen, schon im Mai 1914 wurde er zum ersten Mal wegen öffentlicher Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt und als er verantwortlicher Redakteur der „Weltbühne“ geworden war, folgten Klagen und Prozesse. Beleidigung der Marine, Beleidigung der Reichswehr, schließlich gar Landesverrat lauteten die Anklagen. Einziger immer wiederkehrender Anaß: Carl von Ossietzky stritt gegen die „Generalswirtschaft“ der Weimarer Republik, sah im Militarismus das Hauptübel jüngster deutscher Geschichte und die größte Bedrohung für die Zukunft.

Folgerichtig empfahl er am 1. März 1932 in der „Weltbühne“, für Ernst Thälmann als Reichspräsident zu stimmen. Er bekannte sich als Sympathisant der Arbeiterbewegung, ohne sich ihre wissenschaftliche Weltanschauung zu eigen zu machen. Dennoch gelangte er in seinen Einsichten immer wieder über den linksbürgerlichen Horizont seiner Überzeugungen hinaus, beharrte aber auf einer Position, die sich Kritik nach allen Seiten, also auch an der KPD, offenhielt. „Ich frage euch, Sozialdemokraten und Kommunisten: werdet ihr morgen überhaupt noch Gelegenheit zur Aussprache haben?“ fragte er hellsichtig im Mai 1932. Das war ein klares Votum für die antifaschistische Einheitsfront.

„Frieden für immer“ steht auf der Marmorplatte seines Grabes in Niederschönhausen: das Hauptwort eines wahrhaft heroischen Kämpferlebens ist damit benannt.
  Zuerst veröffentlicht in: FREIES WORT, Nr. 102, 30. April 1988, S. 6
  unter der Überschrift: Ein wahrer Humanist und Kämpfer, nach dem Typoskript


Daß sein Name auf seiner Wochenschrift für Politik, Kunst für Wirtschaft „Die Weltbühne“ noch heute auffallend groß gedruckt wird, entspricht seinem Rang. Carl von Ossietzky, der die „Weltbühne“ von 1926 bis 1933 leitete, starb am 4. Mai 1938. Er starb als Opfer des Terrors der deutschen Faschisten, als Träger des Friedens-Nobelpreises, der ihm am 23. November 1936 für das Jahr 1935 verliehen worden war. Die Ungeheuerlichkeit, daß ein Staatsfeind, ein Insasse eines deutschen Konzentrationslagers, von den norwegischen Juroren geehrt wurde, trotz aller Versuche der faschistischen Diplomatie, diese Preisverleihung unmöglich zu machen, traf die eitlen Machthaber in Berlin tief.

Carl von Ossietzky, schon zum Sterben geschwächt, Symbolfigur internationaler Solidarität neben Ernst Thälmann in den ersten Jahren der Nazi-Diktatur, bereitete seinen Mördern eine moralische Niederlage. Arnold Zweig, selbst langjähriger treuer Autor der „Weltbühne“, schrieb 1938: „Er, Carl von Ossietzky, wird zu den wenigen Deutschen gehören, die Deutschlands Ehre innerhalb Deutschlands Grenzen bis zum letzten Atemzug verkörpert haben, in einer vom Müll verschütteten und verpesteten Zeit.“ Geboren wurde Carl von Ossietzky am 3. Oktober 1989 in Hamburg, prägende weltanschaulich-politische Eindrücke erhielt er aus der monistischen Philosophie Ernst Haeckels wie auch aus Auftritten August Bebels.

Noch vor dem ersten Weltkrieg begann er seine Laufbahn als politischer Journalist, die ihn, nachdem er als Mitglied des Soldatenrates heimgekehrt war, innerhalb weniger Jahre in die vorderste Front linksbürgerlichen mutigen Engagements für Frieden, für Demokratie, gegen deutschen Militarismus, Faschismus und Krieg führte. Carl von Ossietzky ist nie einer politischen Partei beigetreten, und doch führte ihn sein mutiger, das persönliche Opfer nicht scheuender Kampf dahin, 1932 in der von ihm geleiteten „Weltbühne“ zur Stimmabgabe für Ernst Thälmann zum Reichspräsidenten aufzufordern.

Im deutschen Militarismus sah er das Erzübel der jüngsten deutschen Geschichte, und überaus hellsichtig sah er auch die Fäden, die von der deutschen Großindustrie zur kriegslüsternen Generalität führten. So ging er denn auch nach einem langwierigen und äußerst fadenscheinigen Prozeß vor dem Leipziger Reichsgericht ins Gefängnis, noch bevor die Faschisten die Macht an sich rissen. In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er erneut verhaftet. Die Festung Spandau und die Konzentrationslager Sonnenburg und Papenburg-Esterwegen werden Stationen seines Leidensweges.

Sein Bekenntnis schrieb er für seine „Weltbühne“ unter dem Titel „Rechenschaft“ nieder: „Daß mein Verstand sich noch immer zu der heute so verschmähten Demokratie bekennt, während mein Herz unwiderstehlich dem Zuge der proletarischen Massen folgt, nicht dem in Doktrinen eingekapselten Endziel, sondern dem lebendigen Fleisch und Blut der Arbeiterbewegung, ihren Menschen, ihren nach Gerechtigkeit brennenden Seelen.“ Fünfzig Jahre nach seinem allzu frühen Tod ist Carl von Ossietzky auch als großer Vorkämpfer für eine Koalition der Vernunft gegen Krieg, für Frieden, zu ehren.
  Zuerst veröffentlicht in: NEUE HOCHSCHULE, Nr. 10, 20. Mai 1988, S. 2, unter der Überschrift: Carl von   Ossietzky: Hervorragender Kämpfer für die Völkerverständigung


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