Shakespeare: Ein Sommernachtstraum; DNT Weimar

Auch extreme Kurzweil kann sich hinziehen. Gerade zu hohe Startgeschwindigkeit kann zum Nachlassen auf der Zielgeraden führen. Damit wären die beiden wichtigeren Einwände gegen diesen „Sommernachtstraum“ geschmäcklerisch in Worte gefasst, der Rest war reines Vergnügen. Für mich jedenfalls. Da ich nicht zu den Griesgramen gehöre, die nach einem Theaterabend ihr bisheriges Leben in Frage gestellt sehen wollen, selbstmordnah ins Auto steigen und zu Hause umgehend noch den alten Kunstrasen vom Balkon werfen, der bei jedem Regen nass wird und ewig nass bleibt. Theater soll Vergnügen bereiten, Spaß machen, auch, verrückter Gedanke, den Beteiligten auf und hinter der Bühne. Weil ich es gelegentlich schon schrieb und man sich durchaus selbst zitieren darf, wenn es mit Marx und Engels schon nicht mehr up to date ist: ich sehe auch gern Spielfreude bei Spielern (und Spielerinnen). Mir selbst Abwechslung zu verschaffen, habe ich endlich einmal die Verse 55 bis 166 im vierten Buch der „Metamorphosen“ von Ovid nachgelesen in der von Liselot Huchthausen überarbeiteten Übersetzung von R. Suchier: Pyramus und Thisbe, durch die rissige Mauer flüsternd, die liebenden Löwenopfer einer schuldlosen Löwin.

Jou, war das traurig, immerhin landen beide final in einer gemeinsamen Urne, jedenfalls die unsterblichen Überreste. Das mit den Vätern, die nicht wollen, was ihre Kinder wollen, die es dann doch tun und dafür mit dem irdischen Leben zahlen, ist also ein uraltes Ei. Halbe Motivgeschichten lassen sich füllen mit dem und über das, was sie anregten. Dramaturgin Julie Paucker (das c rettet den Namen, liebe Kalauer und Kalauerinnen) hat im Programm nach platzbedingter Schnell-Abwägung dekretiert: „Die in die Handlung des Sommernachtstraums eingeschobene Ebene der probierenden Handwerker macht dieses Stück aber in besonders expliziter Weise zu einem Stück über Theater.“ Womit es intellektuelles Vorzugsstück würde, denn selbige dienen mit Blick auf Nabel und Ich ihren Trägern wie der Eukalyptus dem Koala im Baum. So rutscht dann auch eine höchst schillerhafte Passage in den Traum nach der Pause. Wir erfahren, dass sich niemand in die Luft sprengen würde (seine Nachbarn mit, was das wichtigste dabei ist, aber unerwähnt blieb), wenn ALLE jeden Abend ins Theater gingen. Die zweite Seele in meiner Brust sagt an solchen Stellen: Vorher müssten Hunderttausende Theater gebaut werden, die Baubranche würde boomen.

Die Erbauer aber hungern. Denn alles geht leider nicht gleichzeitig. Immerhin ist es eine Vision wie die von den Kriegen, zu denen keiner mehr hingeht, außer gegen Sold und doppeltes Trennungsgeld zu Hause. Ernst beiseite: „Ein Sommernachtstraum“ ist allein deshalb so herrlich, weil es das herrlich altertümliche Wort Rüpel im Sprachgebrauch hält. Bei Shakespeare, weiß der für den Premieren-Small-Talk geschulte Wickelschal-Träger und trägt es seinen schönen Begleiterinnen gern vor, bei Shakespeare gibt es diese Rüpelszenen immer (fast) und es kann noch so tragisch sein, mindestens einer setzt stets die Worte hinterhältig-vordergründig falsch und stolpert, falls kein Tigerfell umher liegt, über seine eigenen Füße. Zu Shakespeares Zeiten gab es Theaterbesucher, die nur das Theater besuchten, um abzulachen, Vorkenntnisse hatten sie keine, lesen konnten sie auch nicht, so fern sind uns diese Zeiten gar nicht, nur der Snobismus hat eine erfreuliche Entwicklung genommen in den vierhundert Jahren seit dem Hinscheiden des Meisters aus Stratford. Der sechs Handwerkern das Spiel von Pyramus und Thisbe in die Hand legt als Spiel im Spiel. Wegen der Spiegelung stehen in Weimar dann nach der Pause auch zwei große Spiegel auf der Bühne.     www.nationaltheater-weimar.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.

 


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