Die Rechnung bitte

Lange her sind die Zeiten, da alle paar Minuten eine Drückerkolonne vor meiner Tür stand, alle wollten etwas verkaufen, vom Sicherheitsschloss für gammlige Osttüren bis zu Zeitungsabonnements. Bei meinem ersten Besuch in der Ilmenauer Filiale der Verbraucherzentrale (so etwas gab es tatsächlich, die saßen später Wallgraben, zuerst: weiß ich nicht mehr, ich erlebte einen der ersten Pressetermine der damals noch hochschwangeren späteren Familienministerin Claudia Nolte) ließ ich mir einen Aufkleber geben: Für Vertreter verboten. Der klebt heute noch an meiner Wohnungstür. Und er hat sehr oft geholfen.

Bis eines Tages der erste klingelte, der noch vor seinem Gruß sagte: Ich bin aber kein Vertreter, obwohl er natürlich einer war. Die Vertreter religiöser Teilwahrheiten sind streng genommen auch Vertreter, wenngleich sie im Normalfall eine weniger verfängliche Eröffnungsfrage stellen: Können Sie sich solch ein Leben vorstellen? Und dazu zeigen sie ein naiv gemaltes Bild, auf dem Löwe und Reh nebeneinander gekuschelt auf einer Wiese liegen, auf der im Hintergrund auch ein Panda zu erkennen ist. Ich kann mir eine solche Welt natürlich nicht vorstellen. Habe aber ein ziemlich präzises Bild vom Leben der Pandas, die immer nur Bambus essen, Bambus, Bambus, Bambus. Und die dann einfach aussterben, wenn mal kein Bambus da ist. Es gibt kaum eine symbolischere Ernährungsart als die dieser Schwarz-Weiß-Bären. Während ich die aber liebe, weil sie mich an ein frühes, mit Holzwolle gefülltes Plüschtier erinnern, Begleiter meiner Vorschulkindheit, liebe ich die menschlichen Bambusbären weniger, die auf ein einziges Thema fixiert sind, apathisch immer, fast wie im künstlichen Koma, bis ihr Stichwort fällt.

Jetzt also hatte ich wieder das Klingeln an der Wohnungstür ohne vorheriges Klingeln an der Haustür. Das klappt nur in einem Beduineneingang wie dem meinigen, wo prinzipiell die Haustür als Zeltbahn erscheint, die nur zurückgeschlagen werden muss. Wahrscheinlich reichen sich die Drücker der Neuzeit untereinander schon diese Hausnummer weiter: Hier ist immer offen, wann du kommst, wann du gehst. Sie waren, wie sie behaupteten, von der Telekom. Und sie wollten überprüfen, ob bei mir die 16.000 DSL anliegen. Zu diesem Zwecke müssten sie meine letzte Rechnung sehen. Der Mann hatte eine dunkelblaue Jacke an, weiß das auf dem Rücken, was die echte Telekom in pink zeigt. Die Frau war etwas legerer gekleidet, da war nur die Jackenfarbe angeglichen. Beide hatten Ausweise, beide hatten irgendwelche Listen auf dem Arm. Der Mann trug zum weißen Hemd einen rabenschwarzen Bestatterschlips.

Meine Gegenfragen zu ihrem seltsamen Ansinnen konnten beide nicht beantworten, es schien am Ende eher, als ob sie doch etwas verkaufen wollten, das aber hörte ich mir nicht mehr an. Allein der Aufkleber der Verbraucherzentrale hätte sie, wären sie auch nur laienhaft geschult worden, abhalten müssen. Ich rief sofort bei der Telekom an, fragte, ob solche Menschen mit solchem Auftrag unterwegs seien. Klare Auskunft: Natürlich gibt es Vertreter der Telekom, die an Haustüren gehen, niemals aber würden die nach Kundendaten fragen, dazu so sensiblen, wie sie eine Rechnung enthält. Da habe ich meinen beiden heimischen Lieblingszeitungen einen Tipp gegeben und auch die Polizei angerufen.

Die kam phantastisch schnell, einer stieg vorsorglich vorher aus, um eine mögliche Flucht bei Annähern des Polizeifahrzeugs verhindern zu können. Der zweite ging direkt auf die beiden angeblichen Vertreter zu. Die konnten, wie ich kurz darauf aufgeklärt wurde, unverdächtige Ausweise vorzeigen, hatten auch einen Geschäftsführer parat. Die beiden Polizisten unterhielten sich ziemlich lange mit den beiden vermeintlichen DSL-Überprüfern. Für meine Straße aber zeigten die keinerlei Interesse mehr, wie sie schon in meinem Aufgang nicht etwa an allen Türen geklingelt hatten, dafür aber im Treppenhaus sehr laut über Alkoholprobleme sprachen. Der Mann teilte einem Partner am Handy mit, sie seien noch eine halbe Stunde etwa hier. Dann verließen beide die Keplerstraße über die Treppen in Richtung Ernst-Abbè-Straße. Lustlos versuchten sie es, nunmehr getrennt agierend, an den Einfamilienhäusern, hatten aber offenbar keinen Erfolg.

Was waren das nun für Leute, die die Polizei beruhigen konnten, von der Telekom verleugnet wurden und ihren Job auch nur halbherzig machten?


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