Shakespeare: Was ihr wollt; Münchner Sommertheater

Wenn selbst der große FC Bayern München, wie Wundertrainer Pep Guardiola sagt, auch einmal verlieren kann, dann sollte dies umso mehr für das Münchner Sommertheater gelten. Es hat verloren, und zwar gegen sich selbst. Ausschließlich Eigentore verursachten die Niederlage und das Publikum spürte es. Bei einem Fußballspiel müsste man dies nicht eigens anmerken, jeder und jede sehen ja, wie das Runde auf der falschen Seite ins Eckige fliegt. Im Theater ist das schon eine Sache des feineren Empfindens, Auge und Ohr nehmen den Reiz wohl auf, auf dem Wege zum Großhirn aber geschehen seltsame Dinge und am Ende tut der Beifall so, als wäre fast nichts gewesen. „Was ihr wollt“ ist eine grandiose Komödie mit grandiosen Rollen. Man muss sich schon sehr viel Mühe geben, hier daneben zu greifen. Noch einmal fußballerisch gesprochen: man muss schon in der Lage sein, aus einem halben Meter Entfernung das torwartfreie Tor nicht zu treffen. Wie aber kann dergleichen auf weltbedeutenden Brettern geschehen? Mannschaften, die nach dreizehn Spielen erst sechs Tore erzielten, wissen warum: Sie haben einfach keine Torschützen.

Ulrike Dissmanns „Was ihr wollt“ leidet an den Darstellerinnen der Viola (Andrea Hiller-Alegre) und der Olivia (Judith Spitzer). Sie sprachen und agierten, als hätten sie beim Schülertheater-Casting als ersten Preis das Mitspiel in einem richtigen Theater gewonnen. Der Text war gut gelernt, man hörte die Betonung, wie man sie im Deutsch-Unterricht für den Gedicht-Vortrag wohl immer noch eingepaukt bekommt und alles war von sparsamen kleinen Gesten begleitet, Oberkörperneigungen nach vorn und zu den Seiten, Halsdrehungen, Blicke von unten nach oben und umgekehrt, die Fortbewegung auf der Bühne steif und mauerblümchenhaft. Damit ist ein solcher Shakespeare-Abend eigentlich schon gestorben. Auch Christoph Hirschauer als Orsino, Herzog von Illyrien, deklamierte seinen Text, als hätte dies einmal eine Parodie werden sollen, er rollte das Rrr, dass es jedem Rrrammstein-Frrreund das Herzeleid ausgetrieben hätte, hätte er sich ins Theater locken lassen. Er ist nicht der erste Orsino, der es schwerer hat, was freilich die Sache kaum besser macht. Und so passt sich Gabriel Weichlein als Antonio, Freund des Sebastian, sprechend an: Man möchte rufen: Leiser! Nicht so martialisch! Es muss ja nicht gleich schwul sein!

Das Komödiantische in der Komödie „Was ihr wollt“, man muss nur einmal eine gute Inszenierung sehen, ich sah bereits mehrere gute und sehr gute, verbindet sich vor allem mit den Rollen der beiden Junker Tobias von Rülp und Bodo von Bleichenwang sowie mit dem Narren Feste, dem in München der Name abhanden gekommen ist. Das, was ihnen das Textbuch zusichert, lässt sich schier endlos ausspielen, es ist Aktion möglich, die ein zwischenzeitliches Deklamieren austarieren könnte. Ulrike Dissmann hat sich für ein Spiel ohne alle Kulissen, mit sehr, sehr wenigen Requisiten entschlossen, was für Gastspiele praktisch ist, man muss außer den Kostümen wenig transportieren. Die Kostüme waren farbig und durchdacht, nicht überladen mit Bedeutung, der Narr hatte halt einen roten und einen blauen Strumpf an und die einander zum Verwechseln ähnlichen Zwillinge Sebastian und Viola waren sich eben in den Kostümen gleich, sonst freilich nicht im entferntesten. Die Regie hat sich leider auch dazu entschlossen, die zehn Darsteller viel zu oft frontal zum Publikum agieren zu lassen, auf Einverständnis aus, wenn auch meist ohne das zu erwartende Augenzwinkern. Vor den häufigen Abgängen nach hinten fast immer ein wie eine Pointe gesprochene Sentenz mit Endreim, Ulrike Dissmann inszeniert wie immer eine eigene Textfassung, an der sie lange und gründlich arbeitet, das Ergebnis lässt sich ebenso regelmäßig hören. Aber alles bleibt nervend statuarisch, fast Hörspiel auf der Bühne.        www.muenchner-sommertheater.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.

 


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