Shakespeare: Was ihr wollt, Theater Poetenpack Potsdam

Nimmt man die Reaktion des Publikums zum Maßstab, dann war das ein Abend, wie er kaum besser hätte sein können. Immer wieder Szenenapplaus, am Ende nach dem Lied des Narren langes, ins Rhythmische übergehendes Klatschen. Einzelne Zuschauer gingen mit, als wären sie Vorschüler im Kindertheater, die aufgeregt reinrufen und kommentieren. Je deftiger die Anspielung, je vordergründiger die Geste, je kabarettnäher der aktualisierende Gegenwartsbezug, um so heftiger die Reaktion. Man ahnt, warum in Arnstadt nur Kabarett fast immer ausverkauft ist (und Operette wohl auch). Das Theater Poetenpack Potsdam hatte leichtes Spiel, zumal Arnstadt selbst  in den Text mehrfach einbezogen wurde. Shakespeares „Was ihr wollt“ war dabei das Vehikel.

Es wurde tatsächlich zu vielleicht fünzig Prozent die gute alte Übersetzung von August Wilhelm Schlegel gespielt, Tieck hatte, anders als das Programm behauptet, dabei seine Hände nicht im Spiel. Immer, wenn das geschah, fühlten sich die Darsteller hörbar aufgerufen zu zeigen: Wir können das auch. Fast schon übertrieben akzentuiert dabei Wolfgang Heiderich als Narr, dem man seine 80 Jahre fast nicht anmerkte. Er übernahm auch, leicht abgewandelt,  einen der Kernsätze Shakespeares aus der von Regisseur Carl-Hermann Risse komplett gestrichenen Rolle des Fabio: „Wenn man dies auf dem Theater vorstellte, so tadelte ich es vielleicht als eine unwahrscheinliche Erdichtung.“ Das trifft die einigermaßen haarsträubende Geschichte im Kern sehr genau. Zwei Sphären kommen dort zusammen. Ein schiffbrüchiges Zwilllingspaar, Viola und Sebastian, landet an der schon bei Shakespeare reichlich fiktiven illyrischen Küste mit ihren Rettern. Beide nehmen voneinander an, allein überlebt zu haben. An Land aber geraten sie in eine adlige Liebesgeschichte hinein, mit der sie eigentlich nichts zu tun haben.

Das Bühnenbild kommt mit einem Podest aus, dessen Boden wie auch die vordere Seite aufklappbare Türen enthalten. Eine der Türen dient am Anfang als Wand mit Haltegriff für den  Herzog Orsino, der sich beim Musikhören sein Verliebtsein suggeriert. Eine simuliert später den Busch, hinter dem auf den Puritaner Malvolio, dem in der Potsdamer Fassung nichts Puritanisches anhaftet, die drei heimlichen Beobachter lauern, um sich daran zu weiden, wie der Mann auf ihren dreist inszenierten Trick mit dem gefälschten Brief der Gräfin Olivia hereinfällt. Eine Klappe gibt ein Zellenfenster frei mit dem daraufhin vermeintlich verrückt gewordenen Malvolio. Kostüme sind eben nur angedeutet oder aber die Rolle überdeutlich akzentuierend wie für den Junker Bleichenwang, der wie der klassische Zirkusclown agiert. Sollte Shakespeare einst tatsächlich verstärkten Wert auf Zeitanalyse gelegt und elisabethanische Sozialstruktur auf die Bühne gebracht haben, wie seriöse Interpreten behaupten, dann hat diese Inszenierung das vollkommen verwischt.

Sieben Darsteller spielen elf Rollen. Damit ist an Ur-Personal gar nicht so viel gestrichen worden. Nach neunzig Minuten ist Pause, dann folgt noch einmal eine ganze Stunde. Das liegt deutlich über dem weithin theaterüblichen Spielfilmformat. Und die Doppelbesetzungen erlauben es den Spielern, wenn es denn Rollen und Regie gestatten, ganz unterschiedliche Fähigkeiten zu akzentuieren. Insgesamt hat Regisseur Risse den Schwerpunkt in Richtung Karikatur und Klamauk geschoben. Was bei Shakespeare bewunderte oder beklagte Mischung von Poesie und Rüpelei, Tragikomik und Hanswurstiade ist, Brüche setzend oder wenigstens in Kauf nehmend, ist hier auf einen einzigen Gesamtakzent verlagert worden. Den Doppelrollen-Darstellern erlaubt das, blass zu bleiben und zu brilllieren an einem Abend, nicht allen freilich. Den Einzeldarstellern nimmt es Spektrum, das sie hätten ausschreiten können.   www.poetenpack.net

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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