Shakespeare: Macbeth, Hess. Landestheater Marburg

Man kennt ihn, diesen Macbeth. Man las ihn in der Schule. Da war was mit Hexen, mit Mördern und viel Blut. Was mit einer Lady, gegen die ihr Gatte ein Waisenknabe ist. Alles in Schottland, alles fürchterlich lange her. Das wird, vielleicht weil es  Schulstoff war, seltener gespielt als manch anderer Shakespeare. Ein Nachwuchskritiker der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG mutmaßte kürzlich, es könnte der alte William aus Stratford-on-Avon eine geheime Quote an deutschen Bühnen haben und fragte, ob „Hamlet“ nicht eventuell ausgespielt wäre, langsam. Seine Antwort anhand der neuen Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden soll hier ausgeklammert bleiben. Für „Macbeth“ aber habe ich einen Verdacht. Der sperrt sich gegen die sonst üblichen Aktualisierungen. Die Story will sich einfach nicht den Polit-Talk-Themen des Monats anschmiegen. Und dann ist da die genannte Lady. Lady Macbeth steht in der ewigen internationalen Rangliste der ganz bösen Bühnenfrauen auf alle Fälle auf dem Treppchen. Für die Marburger Inszenierung, die im Schlosstheater Arnstadt gastierte, ist die schlimmste Lady-Stelle schon mal gestrichen worden. Das eigene Baby, mit dem Schädel an die Wand geknallt, kommt hier nicht vor. Diese Art von Motivationstraining für Mehrfachmörder war der Dramaturgie wohl zu hart und zu heftig.

Die Marburger Lady motiviert ihren Gatten wohl mit Anspielungen auf seine Männlichkeit, sie malt ihm aber nicht aus, wozu sie selbst in der Lage wäre. Sie versucht es vielleicht, sie schafft es aber nicht. Franziska Knetsch ist mir fast der Typ Marianne Rosenberg und es hätte mich nur mäßig gewundert, wenn sie „Er gehört zu mir“ gesungen hätte. Sie ist die einzige Schauspielerin des Abends, sämtliche anderen Rollen inklusive der Hexen werden von sechs Männern gespielt, je vier von Jürgen H. Keuchel und Benedikt Keller, je drei von Stefan A. Piskorz und Charles Toulouse. Letzterer war erst im Februar in Arnstadt als Chlestakow im „Revisor“ zu sehen. Die Titelrolle gab Martin Maecker, der in „Dantons Tod“ Robbespierre war. Von den 120 Minuten ohne Pause, die das Programm noch ankündigt, hat sich eine Viertelstunde seit der Premiere am 22. September bereits verflüchtigt.

Und tatsächlich bleibt im Schlussbeifall die Frage, was uns diese Geschichte zu sagen haben könnte. Selbst wenn wir sie als Schlüsseldrama zu verstehen in der Lage wären, in dem Shakespeare weitsichtig und hellsichtig, analytisch präzise und drastisch bildkräftig die Entwicklung unter König Jakob als Nachfolger der Königin Elisabeth seinen Zeitgenossen leicht einsehbar vorführte, wäre das kaum Gewinn für uns. Denn die Entwicklung im England des beginnenden siebzehnten Jahrhunderts ist uns keineswegs abrufbar präsent. Bleibt also der Klassiker, den man mindestens einmal gesehen haben sollte. Das wäre dann doch etwas wie die Quote. Ob freilich Regisseur Frank Panhans mit seinem Verzicht auf Banal-Aktualisierung bei gleichzeitigem Einsatz mittlerer Modernität das bedient, ist fraglich.

Die hereingeholte Modernität entstammt eher der Popkultur, Marcus Grolle hat Choreographie zum wichtigen, vielleicht sogar wichtigsten Spielelement gemacht. Tänzerisch geht es immer wieder zu, ein weites Musikspektrum kommt per Einspiel zum Einsatz, das geht von der berühmten Filmmusiksequenz aus „Psycho“, über Heavy Metal bis zu Barmusik der zwanziger oder dreißiger Jahre und zu Reggae-Anklängen. Das Schottische des Dramas kommt vor allem in  Schottenröcken zum Ausdruck, die Darsteller mit mehreren Rollen variieren ihr Kostüm auf offener Bühne und bewegen auch selbst die Elemente des Bühnenbildes. In Form von kahlen übermannshohen Ästen steht der sich bewegende Wald des Endes von Beginn an im Hintergrund, er kann Kleiderständer sein oder Waffe, kann Mauer simulieren oder Tor.   www.theater-marburg.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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