Kurt hatte
Kurt hatte viele Frauen. Manche von den vielen Frauen, die Kurt hatte, sagten, als Kurt sie nicht mehr hatte, Kurt sei eine Arschgeige gewesen. Es ist bis heute offen, ob alle, wenn sie Arschgeige sagten, das meinten, was die jeweils anderen meinten. Kurt war an den Meinungen der vielen Frauen, die er nicht mehr hatte, über ihn in der Zeit, als er sie noch hatte, nicht wirklich interessiert. Für solche Fälle griff Kurt auf einen Amerikanismus zurück, den er vom Fernsehen erlernt hatte. Er sagte Fuck und dabei bewegte er die rechte Hand am unteren Ende des rechten Arms so, als sei eine ziemlich wichtige Sehne, die für die normalen Abläufe zwischen Arm und Hand sorgt, gerissen oder zerschnitten worden. Die Hand baumelte lämmerschwanzsartig, wobei der Vergleich aus der Landwirtschaft nicht mehr kommunikabel war, denn Lämmerschwänze starben als solche zwar nicht aus wie sibirische Tiger oder Labradoreisbären, aber sie schafften es einfach nicht mehr auf die ersten zwölf Google-Seiten, falls jemand irgendwie in Suchlaune nach ihnen fragte. Unter den vielen Frauen, die Kurt hatte, waren ab einem bestimmten Zeitpunkt, den Kurt sich posthum nicht gerichtsfest zu rekonstruieren vermochte, immer öfter welche, die ihn wegen bestimmter Missverhältnisse irritierten. Die Stärke der Irritationen in Kurt nahm in fühlbar kurzer Zeit zu, denn sein alter bohrender Blick auf Augenbrauen und die Nähe der weiblichen Ohrmuscheln, der ihm früher ein quasi vorfreudiges Hhmm entlockt hatte, das lautlich unartikuliert blieb, verband sich zunehmend mit dem Erlebnisinhalt Irrtum. Für Kurt war das ungefähr so, als wenn an seinem Lieblingsbahnübergang das rote Blinken einsetzte, die Schranke nach unten ginge und dann aber keineswegs ein Zug käme. Bis eines Tages die Schranken überhaupt sich nur noch senkten, um ihm das Gefühl zu vermitteln, hier kommen keine Züge mehr, Kurt. Du musst das akzeptieren. Eines Tages sagte deshalb Kurt, die Zahl der vielen Frauen, die er hatte, habe jenes Maß erreicht, welches er zwar übertreffen könne, nicht aber müsse, der innere Aufruf, der leiser geworden war, liege nunmehr im nicht mehr hörbaren Bereich. Muss ich eigentlich, sagte Kurt und seine Antwort lautete postwendend Nein. Kurt unternahm noch, weil sein Glaube daran, dass zwischen zwei Zuständen anständigerweise eine Übergangsphase geschaltet sein müsse, einige Gänge in die letzte am Ort verbliebene Videothek. Er wanderte an den langen Reihen hinter der besonderen Pendeltür auf und ab und es verstörte ihn die Erkenntnis, er sei ein Perverser gewesen, ohne es zu wissen. Dichte schwarze Augenbrauen jedenfalls sah er an, wenn sie ihm nunmehr begegneten, als seien sie ein Geheimcode. Kurt, signalisierten sie wie gegeneinander geführte Zeigefinger, nicht nur dein Name ist von vorgestern, nicht nur dein Name.
Geschrieben am 23. Januar 2010, unveröffentlicht