Heimspiel für einen Gartenfreund*
Ilmenau. Wer vom Industriegelände kommend links abbiegt und die Kopernikustraße befährt, sieht zuerst eine merkwürdige umzäunte Ansammlung von Kiefern und Birken vor der Hausnummer 1. Sie haben stattliche Größe erreicht in ihrem Alter von knapp dreißig Jahren. Und sie erinnern unter anderem an einen Mann, der damals in der Keplerstraße wohnte und die Initiative zum Pflanzen ergriff, später auch noch für einen wunderschönen Holzspielplatz. Der heute emeritierter Professor in Halle ist und jetzt nach Ilmenau kam, um über Gartenkunst im 18. Jahrhundert zu reden. Das GoetheStadtMuseum begrüßte ihn zum letzten Vortrag des Jahres 2011.
Die Rede ist von Hans Joachim Kertscher, der immer, wenn er nach Ilmenau kommt, auch alte Kollegen und Freunde aus gemeinsamen TH-Zeiten anzieht und so eine Art Heimspiel hat. Rasch hatte er geklärt, was einen Germanisten zum Thema Garten bringt, kein Abweg, kein Umweg, kein Irrweg, wie er sagte, und es war keineswegs nur sein eigenes Engagement im Landschaftsgartenverein Dieskau bei Halle, das ihn kompetent machte. Er sprach hör- und sichtbar in persönlichen Angelegenheiten, die Gäste quittierten das wohlwollend. Er stellte in seinem kaum mehr als vierzig Minuten dauernden Vortrag fast im Schnelldurchlauf Stationen in der Entwicklung der Gartenkunst des Jahrhunderts der Aufklärung dar, ließ Namen und Zitate, Bilder und Pläne in dichter Folge ihre Wirkung entfalten.
Barockgärten in Frankreich, Versailles und Chantilly, ihre allmähliche Ablösung durch den so genannten englischen Garten, die Übergänge von einer Gartenarchitektur mit geometrischen Strukturen zu so etwas wie praktizierter Landschaftsmalerei, die dazu gehörigen Theorie-Ansätze, gebunden an Namen wie Le Notre, Addison, Pope, William Kent, später und immer wieder von Kertscher beschworen, Christian Cajus Laurenz Hirschfeld, Baumgarten. China-Mode und Rousseau mit seinem schon im 18. Jahrhundert gern falsch verstandenen „Zurück zur Natur!“ bis schließlich der gute Justus Möser auch noch zur Sprache kam und das allmähliche Kippen dessen, was heute bisweilen sogar die „Gartenrevolution“ genannt wird.
Kertscher sprach natürlich auch von „seinem“ Landschaftsgarten in Dieskau, vom Wörlitzer Park, vom Ilmpark in Weimar, er sprach nicht von Wilhelmshöhe in Kassel und von vielem, wozu er hätte sprechen können, wenn er sich mehr Zeit genommen hätte. Manches ergänzte Dr. Wolfgang Müller in seinen beiden kleinen Ko-Referaten, mit denen er die Ausführungen des Gastes umrahmte. Vor allem wollte er festgestellt haben, dass uns heute sowohl die französischen als auch die englischen Gärten gefallen. Hans Joachim Kertscher erkundigte sich derweil, ob denn auch die Bäume noch stehen im Universitätsgelände, an deren Pflanzung er einst ebenfalls beteiligt war. Sie stehen noch, wurde ihm bestätigt.
Ein Literatur-Tipp für Freunde des Themas: Die Kunsthistorikerin Renate Krüger hat schon vor vierzig Jahren im Leipziger Verlag Koehler & Amelang ein Buch publiziert (sie schrieb auch etliche Romane) mit dem Titel: Das Zeitalter der Empfindsamkeit. Auf 20 Seiten plus Bildern behandelt sie „Die grüne Kunst“. Das ist weit mehr als nur eine Einführung in die Thematik.
*zuerst veröffentlicht: Thüringer Allgemeine, 12. November 2011, Untertitel: Hans Joachim Kertscher fesselte seine Hörer im Goethe-Stadt-Museum mit Vortrag über die Entwicklung der Gartenkunst. In seiner Ilmenauer Zeit hatte er Baumpflanzungen und einen Holzspielplatz initiiert