Schöner mauern für den Frieden

Die ganz knochenharten Medienprofis nebst jenen, die so tun, wissen eines ganz genau: Auch eine Negativschlagzeile ist Werbung. Aber natürlich trennen einen lustigen Lothar, der sich in immer kürzeren Abständen von immer jüngeren Frauen verabschiedet, und zwei alte Generäle und ihren knackigen Buchverlag Welten. Meine knackige ehemalige Lieblingszeitung Freies Wort hat es unternommen, einem wundersamen Buch eine knappe halbe Seite zu widmen, von dem ich an Eides statt ungefragt erkläre: eher gehen zwei schwangere Nashörner aufrecht auf den Hinterbeinen nebeneinander durch ein Nadelöhr, als das ich ein solches Buch jemals auch nur mit spitzen Fingern berühren würde.

Wäre es das einzige Buch auf Erden und bliebe damit allein für die Insel, die nur ein Buch erlaubt, ich würde nach 52 Lesejahren mit vielen, vielen wunderbaren Lektüre-Erlebnissen sagen: Okay, Babies, es gibt ein Leben nach dem Buch. Denn die von einem der beiden lustigen Autoren, 91, vertretene These ist so aberwitzig, dass ich sage: Liebe Rosa Luxemburg, der Magerquark mit den Andersdenkenden und der Freiheit rutscht offenbar derart oft in die falschen Hälse, dass zu überlegen ist, ob man den Satz nicht für eine Weile suspendieren sollte. Damit nicht jeder zum Himmel blökende Unfug in die Welt gerülpst werden darf mit dieser Begründung. Er lautet in diesem Falle: Ohne den Mauerbau 1961 hätte es Krieg gegeben. Der andere lustige Autor, 84, ergänzt hintersinnig, dass beim Mauerbau auch die Ökonomie eine Rolle gespielt habe.

Nun will ich nicht behaupten, dass der erste lustige Autor, 91, im Parteilehrjahr immer schlief, als ihm auseinander gesetzt wurde, was der dialektische und historische Materialismus für das Primäre und was er für das Sekundäre hält. Aber als späterer General hätte er vielleicht im Oberseminar Militärgeschichte auf das Schicksal von Mauern im Zusammenhang mit der historischen Entwicklung der Artillerie achten können. Dann wäre ihm womöglich aufgefallen, dass Mauern schon 500 Jahre vor der wunderbaren Beton/Ziegelstein-Variante des 13. August 1961 nicht mehr der Brüller in den Verteidigungskonzepten herrschender Klassen waren. Der einzige Krieg, den diese Mauer verhindert hat, war der Krieg der sozialistischen Jäger gegen weltanschaulich indifferente Kaninchen, die sich zwischen den beiden nicht mehr ohne weiteres zu überwindenden Hochbauten an der Westgrenze des Arbeiter- und Bauernstaates nicht mehr ohne weiteres in Jagdtrophäen eines schießgierigen Proletarieradels verwandeln ließen.

Sage kein ehemaliger und kein aktueller stellvertretender Chefredakteur: wir müssen auch an diejenigen unter unseren Lesern denken, die früher an der Offiziershochschule der Grenztruppen zu Suhl gedient haben. Wir müssen nicht. Wir können. Und wenn wir es tun, sollten wir damit rechnen, dass andere Leser sich nicht begeistert auf die Schenkel klopfen. Für die Klassikfreunde unter meinen Lesern erinnere ich an eine Wendung des alten Christoph Martin Wieland seinem jungen Sohn Ludwig gegenüber. Er wolle nur einem ganz besonderen Talent zugestehen, „... Sensazion in unsrer geschmacklosen erschlafften und am liebsten von den excrementen hirnloser Köpfe sich nährenden Leserwelt zu machen.“ Wir Nachgeborenen wissen, dass er seinen Sohn keineswegs für ein solches Talent hielt.


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