Tagebuch

4. Januar 2018

Jedes Kind kennt sein Buch „Peterchens Mondfahrt“. So steht es im heutigen ARD-Videotext und ich zweifle zum wiederholten Male daran, ob dort unter den Text-Verantwortlichen auch einige Zurechnungsfähige arbeiten: Wie kann man solchen Unfug behaupten? Unmassen von Kindern können nicht lesen, Unmassen von Kindern wachsen in bildungsfernen Schichten auf und lesen nicht, obwohl sie es bis zu einem gewissen Grade beherrschen. Gerdt von Bassewitz? Fast 100 Jahre mausetot? Sein Grab schon seit 60 Jahren eingeebnet. Immerhin: erst war das 1912 ein Buch, dann ein Stück für Kinder. Vielleicht hat er auch „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ geschrieben unter einem Pseudonym? Nicht einmal das kennen alle Kinder. Ich arbeite mit Schwung an einem Druckmanuskript. Während zwei infantile Politiker sich gegenseitig twittern, wie lang und rot und steif ihre, ja was eigentlich, ach ja, Atomknöpfe sind. Wenn man dran rubbelt, spucken sie sogar.

3. Januar 2018

Zu Maxie Wanders 85. Geburtstag hatte ich eigens die „Tagebücher und Briefe“ aus dem Regal gezogen, die Gatte Fred Wander 1979 aus dem Nachlass seiner so früh verstorbenen Frau edierte. Doch wie knapp vor Jahresfrist sein 100. Geburtstag verstreichen musste, ohne dass ich ihm ein paar Zeilen widmete, so ist es heute mit ihr. Ich tröste mich: Was ich am 1. Januar ankündige, kann  ich nicht zwei Tage später schon wieder außer Kraft setzen, so schnell ist nicht einmal die SPD. Über Protokolle nach Tonband hätte ich ohnehin ungern geschrieben. Auch zu Rose Ausländer nur diese Erwähnung, obwohl ich mir vor Jahren eigens einen Gedichtband von ihr kaufte. Draußen Sturm mit Regen-Graupel-Kombination. Ich suchte ohne allzu große Mühe die 30 gemeinsamen Silvester heraus, werde noch eine versandfähige PDF-Datei daraus machen, damit im Bedarfsfall der Bedarf befriedigt werden kann. Für die 31 gab es bereits erste Vorabsprachen: ergebnisoffen.

2. Januar 2018

Nachtrag: Abreisetag aus Bad Windsheim nach gemeinsamem Frühstück. Wir halten noch einmal am Getränkemarkt, die Weinträger nehmen weitere 13 neue Biersorten auf. Der befürchete Stau auf der Autobahn bleibt aus, wir sind nach etwas mehr als zwei Stunden wieder zu Hause. In der Post keine Überraschungen, drei Restlieferungen aus dem alten Jahr, darunter für mich Kurt Hillers „Köpfe und Tröpfe“. Die Wohnung ist ziemlich ausgekühlt, die alte Ordnung braucht eine Weile. Der Rest der Weihnachtsdekoration verschwindet, reihenweise Telefonate mit den üblichen guten Wünschen. Erstaunlich wenig Mails im Posteingang, die seit dem 2. Oktober ignorierte Website hat endgültig das Sichtfeld der Favoriten verlassen und müsste nun eigens angewählt werden, wozu es keinen Grund gibt. In VOLLTEXT wird Werner Bergengruen von Thomas Stangl als „Der Goethe der Fünfzigerjahre“ tituliert. Was sofort die Frage nach dem Goethe der 60er, 70er, 80er aufwirft.

1. Januar 2018

Nachtrag: Das neue Jahr bringt meinen 65. Geburtstag und sieben Monate später den Eintritt ins Rentenalter. Ich werde meine Schwerpunkte etwas anders setzen: mehr Print, weniger Internet. Das Tagebuch bleibt vorerst in Betrieb und Dienst. Wunderbares Wetter entgegen allen Ankündigungen verleitet uns zu einem ausführlichen Spaziergang: knapp 7000 Schritte registrieren die befreundeten Zähl-Apps. Wir treffen die Litauer wieder, die seit sechs Jahren in Deutschland sind und in Celle wohnen. Die Therme ist heute erst ab 14 Uhr geöffnet, passend zur langen Nacht. 3sat brachte als Themenabend ein Konzert nach dem anderen: wir schauten Metallica und Rammstein, nach dem Jahreswechsel wurde es ruhiger und müder. Der Versuch, sich aller 30 Silvester seit 1983 zu erinnern, misslang, ich werde zu Hause meine diversen Notizen und aufgehobenen Andenken zu Rate ziehen. Als wir die Therme gegen 21 Uhr verlassen, sind wir noch nicht die letzten Gäste.


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