Von Goethe und seinen Orden

Wenn es um Goethe und seine Orden geht, wird eine Geschichte immer erzählt. Es ist die vom Ritterkreuz des kaiserlichen Ordens der Ehrenlegion, das ihm am 14. Oktober 1808 auf Weisung Napoleons überreicht worden war. Den trug er noch, als Napoleon schon nicht mehr up to date war und er ließ sich in seinem Stolz auf gerade diesen Orden auch nicht weiter beirren. Daran konnte selbst der am Folgetag verliehene Kaiserlich-Russische Orden 1. Klasse der Heiligen Anna, das Großkreuz mit Stern vom Zaren Alexander, wenig ändern. Immerhin vergingen fast volle sieben Jahre, ehe Kaiser Franz I. und sein Fürst Metternich Goethe mit dem Kommandeurskreuz des Österreichisch-Kaiserlichen Leopoldsordens ehrten. Im Tagebuch vom 1. August 1815 heißt es dazu lakonisch: „Mittag Cursaal. Hr. v. Hügel, zum Nachtisch den Orden. Br. von Serenissimo.“
 
Weitere sieben Monate musste er sich gedulden, ehe ihm nach den frühen Titeln, nach der Erhebung in den Adelsstand in seiner ersten Weimarer Zeit, die ihn ja erst im strengen Sinne hoffähig machten, auch ein hoher Orden des eigenen Fürsten zuteil wurde. Es war das Großkreuz des Großherzoglichen Hausordens der Wachsamkeit oder vom Weißen Falken, mit dem ihn Carl August am 30. Januar 1816 erfreute. Hier war Goethe auch selbst gefordert. Denn erst am Vortag erhielt er den Auftrag zu einer Rede bei der nämlichen Ordensfeier. Die „Austheilung“ war dann am dreißigsten Januar gegen 11 Uhr nach der Rede. In Goethes Gesprächen ist eines mit Christian Gottlob von Voigt für den ersten Februar vermerkt, in dem von einem Aufsatz die Rede ist, den Goethe auf der Basis seiner eigenen Rede und einem Prolog Voigts verfassen wollte.
 
Goethe fünfter großer Orden kam mit der Post. Unter dem 27. September 1818 steht nur „Sendung von Paris angekommen“ im Tagebuch, zwei Tage später dann ohne weitere Erwähnung zuvor: „ Serenissimo das Ehrenlegionszeichen vorgelegt. Von Höchstdemselben die Genehmigung erhalten.“ Carl August erteilte diese Genehmigung für das Goldenen Kreuz der französischen Ehrenlegion, das auf Veranlassung von Ludwig XVIII. verliehen wurde. Die zweite französische Auszeichnung also, nach der von Napoleon nun die von jenem König, der Napoleons Sturz seinen Thron verdankte. 1818 war übrigens das Jahr, in dem Goethe dem Zeugnis des Hofmedikus Rehbein zufolge seinen Geburtstag feuchtfröhlich einen Tag zu früh feierte.
 
Neun Jahre später passierte ihm das nicht wieder, denn da erschien der bayerische König Ludwig I. höchstselbst am Frauenplan in Weimar, um Goethe genau an dessen 78. Geburtstag das Großkreuz des Civil-Verdienst-Ordens der Bayerische Krone zu überreichen. Ludwig kam am 27. August an. Vom 28. August meldet das Tagebuch: „ Fortgearbeitet. Musik. Glückwünschende. Dazu der König von Bayern und Großherzog. Mittag blos Frauenzimmer als Gäste. Die Männer hatten Tafel auf dem Stadthause.“ Zwei Geburtstagsgratulanten aus Berlin verriet Goethe, was ihn viel mehr erfreute als dieser letzte große Orden seines Lebens. Das waren der Philosoph Eduard Gans und der Altertumsforscher Gustav Friedrich Parthey.
 
Gans war wegen des Gewimmels um den König zunächst erst wieder entschwunden, Parthey dagegen zu früh gekommen. Beide erhielten eine Einladung zu Tisch für den 29. August, Goethe setzte sich zwischen sie. Er hieß seinen Sohn August das berühmte Privilegium holen, das den geschäftstüchtigen Goethe endlich europaweit gegen Raubdrucke schützte.  »Sehen Sie, das ist der beste Orden!« soll er seinen Berliner Gästen gesagt haben, verbunden mit einer Referenz an Preußen. So sieht die Souveränität des Alters aus. 
 Zuerst veröffentlicht in:  der NEUE Geheimrat, Ausgabe 50, 2013, S. 24/25


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