Reto Flückiger ohne Eva Mattes

Nun sind sie also wieder an Deck, die Schweizer, mit einem eigenen Tatort. Stefan Gubser ist nicht mehr nur der gelegentliche Amtshelfer am Bodensee, er ist selbst der Mann am Fall. Und stellt auf besondere Weise eine Kontinuität nach hinten her. Denn der letzte Schweizer Tatort vor der langen Sende-Pause, Titel: „Time-Out“, Erstausstrahlung 22. Dezember 2002, der im Eishockey-Milieu spielte, zeigte unter anderem einen Manager des Berner Clubs - und den spielte Stefan Gubser. Jetzt aber hat er den Namen, den er schon zwischen Kreuzlingen und Konstanz trug. Er hat auch diese Vergangenheit, denn er kommt im neuen Film „Wunschdenken“ nach neun Jahren im Thurgau in Luzern an. Sein nicht direkt aus dem jüngsten Genfer Autosalon genommenes Gefährt trägt noch das Kennzeichen TG 41346 und hinten hat er ein Segel-Boot angedockt, weil er Urlaub machen will, ehe er in vier Wochen seinen Dienst antritt.

Das klappt selbstverständlich, sonst wäre das ja kein anständiger Krimi, nicht. Es dauert nicht lange und er ist mitten in Ermittlungen, weil die von Krankheit lahm gelegte Abteilung „Leib und Leben“ einfach nicht genug Leute hat, um einen brisanten Entführungsfall aufzuklären. Dazu gibt es noch eine Wasserleiche, von der der Zuschauer gleich zu Beginn erfährt, wie sie eine geworden ist, was derweil für die Ermittler noch eine Weile dauert. Von Luzern sieht man im Film so viel, dass man merkt, es ist Luzern, die Kapellbrücke wird fast beflissen vermieden von der Kamera, Tourismus-Werbung für die Region ist es nicht geworden. Der erfahrene Tatortseher weiß, dass Fälle in Münster nicht unbedingt immer komplett in Münster gedreht werden, was bei den Schweizern aber kein Problem werden dürfte, denn sie haben nur diesen einen Tatort.

Es ist, wenn ich die Statistik richtig addiert habe, erst die Nummer 12  insgesamt für unser Nachbarland seit 1990, da ist sogar das riesige Saarland besser im Rennen. Und es ist der erste Film der Reihe, von dem ich hörte, er sei in eine Nachbesserung gezwungen worden. Die neue junge Kulturchefin des SRF, Nathalie Wappler, ich bin mir nicht sicher, ob man in jeder Schlucht des Thüringer Waldes den Namen gehört haben muss, soll gemäkelt haben. Im Sport nennt man derartige Ansätze neuer Trainer: eine Duftmarke setzen. Keine Ahnung, ob solche Regeln auch in der Schweiz gelten. Andere Regeln gelten dagegen offenbar. So ist die Figur des höheren Vorgesetzten auch hier ein Mann, den die Arbeitsebene nicht wirklich ernst nimmt, der wie alle oberen Chefs bei der deutsch sprechenden Kriminalpolizei offensichtlich von allen wirklich wesentlichen Dingen des Handwerks wenig bis keine Ahnung hat. Daran muss man sich nicht mehr gewöhnen, man weiß und kennt es.

Dass Regisseur Imboden in sein Werk diverse Anspielungen auf amerikanische Filme eingebaut hat, dass eine amerikanische Austauschkriminalistin dazu passt und dass deren Darstellerin Scientologin ist, liest man zwar vorab etwa in der Frankfurter Allgemeinen mit mählichem Interesse. Letztlich aber scheint mir der Umstand, dass der Darsteller des Präsidiumspförtners, der einen Strafzettel ausstellen will, im Modellbootverein Kassenwart ist, nicht unmittelbar filmrelevant. Womit keine Gleichsetzung zwischen Scientology Church und  Modellbausport vollzogen sein sollte. Das war Ironie.

Gewisse seltsame Angewohnheiten zum Erreichen eines Wahlsieges scheinen auch in der Schweiz gar unabhängige Politiker an den Tag zu legen, den Umgang mit Zweitfrauen neben ihren treuen Gattinnen inklusive. Die Tauben, die auf dem Markusplatz zu Venedig jetzt fehlen, sind vermutlich für diesen Film auf die Balkongeländer des Luzerner Hotels „Schiller“ umgesiedelt worden, in dem der Neue und die Gastkriminalistin nur durch den Korridor getrennt nächtigen. Es kommt zu einer raschen Begegnung im taubenfederfreien Bett des Reto Flückiger, dessen Darsteller Gubser auch ein Ko-Produzent gewesen ist. Die Korkenzieherlocken der Sofia Milos sehe ich beim Zappen immer mal in den Serien, die ich sekundenschnell wieder vom Schirm verschwinden lasse, auch über die Psychologie der Korkenzieherlocke in Kombination mit Mähnenlöwinnen-Look hab ich schon gelesen, es nervt. Da lobe ich mir die Eva Mattes, die Knackarsch-Jeans vermeidet und silikonfrei agiert.

Die Wasserleiche und der entführte Politiker haben natürlich miteinander zu tun, die Gattin war so oft in Großaufnahme zu sehen, dass der erfahrene Krimiseher ebenfalls ahnt, sie muss ihre Finger im Spiele haben, wenn am Ende auch nur auf die Weise, die im Titel zum Ausdruck gebracht wird. Es wird sogar geballert am Ende, beide Kriminalisten bekommen leichte Schüsse ab, die beiden Täter dagegen brauchen kein Verfahren mehr zu fürchten, auf sie wartet das Beerdigungsinstitut. Vier Tote zum Auftakt, ein Politiker, der sich verrechnet hat, ein Rechter, der es nicht war. Das ist so schlecht nicht. Mir war die Filmmusik angenehm, mir hat die Villa oberhalb des Sees imponiert, ich habe das Wehr gesehen mit der Wasserleiche, an dem ich an selbst  wasserleichenfreien Tagen schon mit der Kamera am Hals gestanden bin. Nicht weit gibt es einen wunderbaren Flohmarkt an manchen Tagen. Das aber ist ein anderes Thema.


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