Plenzdorf: Paul und Paula - Legende vom Glück ohne Ende

Ulrich Plenzdorfs Stück „Paul und Paula – Legende vom Glück ohne Ende“ bezieht sein komplettes Leben aus der DDR. Den schlüssigen Nachweis, dass es nach deren Verschwinden fortwirken kann, blieb die Eislebener Inszenierung schuldig, die jetzt im Theater im Schlosspark zu erleben war.

ARNSTADT. Wohl hat die Dramaturgie (Nicola Genschorek) im Programmheft eine Lesart vorgegeben, die von jeglichen DDR-Realien vollständig gereinigt ist. Was die Regie (Martina Bode) jedoch auf die Bühne stellt, ist eine dezente Strichfassung des Originals, die fast alle im Zuschauerraum bemerkbaren Wirkungen aus eben jenen Realien des untergegangenen Landes und seiner Hauptstadt zieht und zwar aus den siebziger Jahren.

Das Ergebnis: Der Teil des Publikums mit lebendiger DDR-Erfahrung, im Parkett überwiegend die Generation 50+, nickte verständnisinnig, lachte bisweilen und hatte wohl einen angenehmen Theaterabend. Die ganz jungen Zuschauer, ebenfalls zahlreich vertreten, dürften von dem, was dem Autor und der Inszenierung der Liebes-Legende wichtig war, eher wenig verstanden haben. Doch schienen auch sie, die Pausengespräche artikulierten es, keinesfalls unzufrieden.

Auf der Bühne ist eine Dekoration zu sehen, die rechts und links graue Plattenbaufassaden mit kleinen Balkonen vorstellt, die Spielfläche in der Mitte strukturiert sich an drei typischen DDR-Spielplatz-Geräten aus schlecht gestrichenem Stahlrohr: einer Wippe, einem Karussell und einem Klettergerüst. Auf einem der Balkone sitzt die Dame, die man sonst im Theater selten sieht, sie souffliert bisweilen so laut, dass man meint, es sei ein Brechtscher Verfremdungsversuch aus dem Ruder gelaufen.

Die Inszenierung enthüllt im Nebeneffekt Schwächen des Textes von Plenzdorf, der den Paul-und-Paula-Stoff zuerst als Drehbuch, dann als Roman und schließlich in Bühnenform verarbeitete. Es wird viel zu viel „erzählt“, nicht gezeigt, in Szene gesetzt. Die Bühne führt vor, was beim Lesen nicht annähernd so stört: Weniger wäre mehr gewesen. Und so scheint es folgerichtig, das an diesem Abend Textsicherheit nicht zu den bestechenden Zügen der Darbietung gehörte.

Zu spielen gibt es bei solcher Art Stück weniger als gut ist. Die Darsteller können überzeichnen, sie können es beim Hersagen belassen, es fällt nicht sehr auf. Die nun wirklich von Millionen gesehene Filmfassung bleibt übermächtiger Schatten. Warum sonst hat die Regie den Darsteller des Collie mit Lederfransen und einer Perücke ausgestattet, die junge Besucher eher an Atze Schröder erinnert als an Christian Steyer im Film mit Domröse und Glatzeder?

Plenzdorfs Bühnentext war einst erstaunlich mutig. Man müsste zeitgeschichtliche Exkurse einflechten, um zu erklären, warum er dennoch gedruckt und gespielt wurde (Premiere 1983). Heute sind Attacken auf ideologische Essentials des Arbeiter- und Bauern-Staates wie zum Stichwort Zweifel, wie die herrliche Passage zum Wörtchen „noch“, die Darstellung zur DDR-Verkaufskultur, zunehmend ins Leere gerichtet. Der Adressat ist abhanden gekommen. So wundert es nicht, dass Zuschauer im Foyer die Pause nutzten, um über Schillers Schädel zu reden.
Zuerst veröffentlicht in THÜRINGER ALLGEMEINE, Arnstadt, am 13. Mai 2008,
unter der Überschrift: Weniger wäre mehr gewesen; nach dem Typoskript


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