Peter Brösing stellt aus

Als ich erstmals mit Peter Brösing zu tun hatte, wusste ich wohl, dass er bildender Künstler war, mit Holz vor allem befasste er sich, wurde mir mitgeteilt, ich aber bin eher ein Ahnungsloser, was Plastik und Malerei betrifft, auf alle Fälle einer, der nie den Eindruck erwecken würde mit gelehrten Leerformeln, als verstünde er etwas. Peter Brösing war einer der ersten neuen Abonnenten, die ich nach der Wende erobern konnte, als er in die Kommunalpolitik ging, ich in den Lokaljournalismus. Er war kein einfacher Zeitungsleser, er hatte präzise Vorstellungen, was er nicht wollte und wie jeder Künstler war er empfindlicher gegen Kritik als andere Menschen. Das nervt und das macht auch sympathisch. Denn wer liebt schon die Sensibilität der Fleischerhunde außer den Fleischerhunden? Ich habe es nicht verstanden, wie Männer wie Brösing in Stützerbach und Uwe Kusian in Schmiedefeld ihre Kunst so einfach beiseite stellen konnten zugunsten nun wirklich nicht aufregender Sachen wie Friedhofssatzungen und Verwaltungshaushalten.

Genauer gesagt: ich habe es erst dann verstanden, als ich merkte, dass man im Kreis einer feiernden Feuerwehr auf dem Dorf, zum Büttenabend eines Faschingsvereins oder in der öffentlichen Sitzung eines Schulausschusses sich unter Umständen wohler fühlen kann als im Kreis von Leuten, die Schirme über ihre hoch getragenen Nasen halten müssen, damit es im Zweifelsfalle nicht hineinregnet. Auch ich habe 1990 nicht den tapferen kleinen DDR-Schriftsteller gespielt, den der Imperialismus überrollt, der sein vollkommen neues Unverstandensein genießt, ich habe mich vom gar nicht so schnöden Mammon überreden lassen, einen aufregenden und phasenweise fast mörderischen Job zu machen, für den es Optimisten brauchte, die nicht zuerst von Tarifen und Arbeitszeiten redeten, sondern eine gute, möglichst neue Zeitung liefern wollten Tag für Tag. Mit Peter Brösig hatte ich gute Gespräche, wobei ich mir einrede, dass wir über Kunst selten bis nie sprachen.

So bin ich denn der Einladung von Martin Strauch, zur Eröffnung der neuen Ausstellung Brösings in die Ilmenauer Volkshochschule zu kommen, gefolgt, obwohl ich dort länger nicht war, obwohl ich seine vorigen Ausstellungen nicht sah, obwohl ich sicher war, nichts darüber schreiben zu wollen. Dann war ich aber überrascht. Es waren viele da, die ich kannte. Es war die neue Landrätin nicht nur da, sie eröffnete auch die Ausstellung. Und was sie sagte, war wohltuend. Sie versuchte, keinen Anschein zu erwecken. Sie flüchtete auch nicht in das ihr vermeintlich vertrautere Terrain des rein Kommunalpolitischen. Brösing dankte es ihr, er bekannte seinerseits seine Überraschung darüber. Ausdrückliche Nebenbemerkung: Es ist keine Schande, wenn ein Landrat, ein Oberbürgermeister nichts von Kunst versteht und lieber seine Vertreter schickt, wenn er denn überhaupt jemanden schickt. Es ist allerdings auch umgekehrt keine Schande, wenn eine/einer erscheint, der/die den Eindruck erweckt, tatsächlich Interesse zu haben.

Dann war alles fast wie eine Danksagungsorgie, denn Brösing und Gattin haben kürzlich eben auch noch Goldene Hochzeit gefeiert (da hat er zeitig angefangen, der 1941 Geborene). Walter Lipfert sprach ebenfalls und ich wiederhole gern, was ich ihm schon sagte, kurz nachdem er geendet hatte: er macht das auf die angenehmste Weise, verständlich und gerade damit Neugier weckend. Er baut kleine Brücken, die man überqueren kann, auch wenn man weder Pleinair-Insider noch sonst etwas in dieser Art ist. Dass Brösing selbst nicht erklärt, welche Ambitionen hinter diesem und jenem Werk stehen, unterscheidet ihn nicht von anderen, nur nehme ich es ihm eher ab. Lipfert sagte, dass Hauptwerke zwischen 70 und 100 entstehen, auf den Beifall musste er nicht warten. Er sagte auch, dass an dieser und jener Stelle erkennbar der Weg für Peter Brösing weiter gehen wird. Das hört ein Künstler natürlich lieber als die Diagnose: er wiederholt sich nur noch selbst.

Die 34 ausgestellten Werke verteilen sich im Haus an der Bahnhofstraße. Grafiken sind keine dabei, auch wenn die der Ausstellungstitel noch ankündigte. Das scheint mir auch wieder ganz besonders sympathisch, denn erst die Gestaltung der endgültigen Exposition erlaubt ja eigentlich den Titel, so wie ein Vortrag, den ich halte, fast unweigerlich nicht dem anderthalb Jahre vorher vereinbarten Titel entsprechen kann, da ich noch gar nicht weiß, was ich sagen werde. Aquarelle aber waren und sind da, Holzschnitte auch und Kohlezeichnungen, verwischte, wie ich hörte. Mich haben die Aquarelle am meisten beeindruckt, am wenigsten die Rom-Zeichnungen. Was mich verblüfft, denn Rom kenne ich ganz gut, während ich die Gegenden nicht unbedingt kennen muss, die die farbigen Blätter anregten. Ich habe auch verstanden, dass Brösing am liebsten noch größere Formate nehmen würde, obwohl ich keine Ahnung habe, was am Format für einen tatsächlich hängt. Man kann die Ausstellung noch bis weit in den Oktober hinein sehen. Die Musikschul-Kinder, die mit Gitarre und Schifferklavier alles rahmten, muss man sich freilich bis dahin dazu denken. Peter Brösing bekannte sich zum Blues des Gitarren-Duos. Was ich gut verstehe.


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