Shakespeare: Das Wintermärchen, Hans-Otto-Theater Potsdam

Früher, also ganz früher, da hätte man vielleicht gesagt: Potsdam hat in seinem "Wintermärchen" eine Hermione von geradezu überirdischer Schönheit auf die Bühne gestellt. Der entwaffnete Kritiker wäre wie der berühmte Hase in den Furchen seines Verbalienfeldes entlang gerast, immer am Ende die Igel schon da mit den noch begeisterteren Beschreibungen. Und heute, im Boaahhehh-Zeitalter, was sagt man, schreibt man, brabbelt man seiner Sitznachbarin in eifersuchtsfreie Ohren: Schwelg-schwelg!? Patrizia Carlucci, was sagt man auf schlecht berlinerisch zu sie und über ihr?

Schon nach einer halben Stunde in Reihe 5, Platz 13 ritt mich der teuflische Gedanke, eine Busreise für das Weimarer „Wintermärchen“-Ensemble sponsern zu müssen, damit die, wenigstens probehalber, Proben sind Schauspielern ja durchaus vertraut, einmal sehen, wie man diesen späten Shakespeare auch spielen kann. Ich betone: auch. Wobei meine innere Stimme, die ich in der Pause der Dame von Platz 14 auch leishals zu Gehör brachte, ganz klar sagte: So sollte man das „Wintermärchen“ spielen. So. Genau so. Wobei mich nächst der überirdischen Hermione schon die deutsche Textfassung fast ähnlich distanzarm machte. Was hat dieser Peter Handke da geleistet?!

Dass Peter Handke mehr kann als sich mit serbischen Provokationen in den Schlagzeilen halten, das muss wahrscheinlich nur echten Vollidioten expressis verbis erklärt werden, dennoch macht es einen extraordinären Spaß, eine solche Übertragung zu hören von einem Ensemble im Hans-Otto-Theater, das genau diesen Text mit größter Sicherheit vorträgt. Die Darsteller üben eben nicht im ersten sizilianischen Teil des Geschehens schon einmal die völlig andere Sprachebene des böhmischen Ablaufes vor und verhunzen dadurch die frappierende Eingängigkeit der Hochsprache. Sie trennen scharf und können beides. Das klingt nur selbstverständlich, ist es aber keinesfalls.

Das Lob für diese Inszenierung, sie hatte am 11. Januar Premiere, darf sich natürlich zuallererst Tobias Wellemeyer ans Revers heften, der Regisseur. Die einfache Idee, Shakespeare zu spielen und nicht ein winterliches Wellemärchen mit Schneeflocken nach der Pause, die will ich mitten im frostigen Netzbereich ABC der Berliner Nahverkehrsbetriebe über jeden grünen Klee loben. Shakespeare, der innerhalb der nächsten drei Jahre ja zwei Jubiläen verursacht, hat es wenigstens zwischendurch verdient, nicht nur als Klettergerüst oder Steinbruch benutzt zu werden. Shakespeare hat, Überraschung, Eigensubstanz und Eigenwürze, es muss weder nachgesalzt noch mit Butterflöckchen nahrhafter gemacht werden.

Solche Irrsinnsgeschichten wie diese von diesem Leontes (Wolfgang Vogler), der sich auf dem Absatz dreht und dem Eifersuchtswahn verfällt, der sogar den seinerzeit zuständigen Gott Apollo (das war eben doch ursprünglich keine Mond-Rakete) der Lüge und des Irrtums bezichtigt, die haben so etwas wie Ewigkeitswert. Dieser Shakespeare lässt die Zeit leibhaftig auf der Bühne erscheinen, weil irgendwie ja die möglicherweise doch nicht durchweg mit Hochschulabschluss ausgestatteten Theaterfreunde der elisabethanischen Zeit verstehen sollten, dass zwischen dem Treiben auf Sizilien und dem anschließenden in Böhmen am Meer schlichte sechzehn Jahre vergangen sind.           www.hansottotheater.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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