Tagebuch

28. Juli 2025

Abreise und Heimreise wieder im Regen. Bis auf das letzte Drittel. Wir nutzen den günstigen Preis für Benzin. Zuvor noch einmal Kaufland, Wein und weitere Biere. 23 packe ich zu Hause auf den Küchentisch fürs Erinnerungsfoto. Vom Marienbader Schriftsteller-Rundgang fehlen mir nur noch die Tafeln Sigmund Freud, Vladimir Páral und Vitěslav Nezval. Den Orientierungsplan fand ich nicht, zwölf der fünfzehn Namen sind aber im Fotoordner Marienbad. Wir benötigen trotz Umweg übers Hermsdorfer Kreuz keine drei Stunden. Als alles ausgepackt ist und halbwegs Ordnung, lese ich „Der Neubäck“ über den Zella-Mehliser Wunderbäcker Werner Ansorg, den Knobloch gut kannte und porträtierte. Mein Foto am Karlsbader Jugendstil-Papierkorb landet wahrscheinlich auf der Berliner Knobloch-Website. 301 Kronen bleiben für das kommende Jahr. 1721 Kronen für alle Getränke auf Zimmerrechnung. In Maishofen zahlten wir jeden Abend bar. Das Mehrfache davon.

27. Juli 2025

Zu den Ausstattungs-Vorteilen unseres Hotels gehört, dass das Waschbecken im Bad dicht ist. Nicht nur Frauen schätzen das, die mal etwas auszuwaschen haben. Auch Männer, die ein Etikett von der Bierflasche lösen wollen. Jedes mehr oder minder leicht abgelöste Etikett verhindert, dass leere Pfandflaschen mit nach Hause genommen werden müssen. Wobei tschechische Etiketten als sehr sammlerfreundlich zu bezeichnen sind. Heute zum Schloss Petschau, hinwärts über Straßen, die mitgeführte Milch zu Butter schütteln würden, rückwärts dann auf besseren Pisten. Wir sehen den Maurus-Schrein, von dem wir bereits mehrfach hörten, dazu Vorgeschichte, Restaurationsgeschichte und einen netten Rundgang außen herum. Eine zweite Ausstellung heben wir uns auf. Zum letzten Abendessen sind schon etliche neue Gäste an den Tischen. Nach dem Abendessen ein letzter Gang zum singenden Brunnen. Meine Fotos diesmal überwiegend vom farbig angestrahlten Wasserspiel.

26. Juli 2025

Schon wieder der letzte Tag mit Anwendungen. Ich buche kurzfristig an der Rezeption den Ausflug nach Franzensbad und Eger. Das unsichere Wetter hält uns davon ab, zum Kammerbühl auf Goethes Spuren zu wandeln. Franzensbad kennen wir nur in klirrender Kälte und sehen es so nun in vollem Grün. Ohne vorweihnachtliche Dekoration sieht manches anders aus. Hilfreich die Erläuterung der Stadtführerin, worin sich die Trinkkuren von Karlsbad, Marienbad und Franzensbad hauptsächlich unterscheiden, Franzensbad hat nur Glaubersalz in verschiedenen Konzentrationen, durchschlagend die Wirkung in unterschiedlicher Schnelle. Fahrt nach Eger fast nur zu Einkaufszwecken, fast alle Mitfahrer sind am Vietnamesen-Markt interessiert, den wir deshalb kannten, weil wir 2023 vor der Kälte hinein flohen und dort aus lauter Verlegenheit Einlegesohlen kauften. Eine Frau schwärmte von 1993, als alles voller Vietnamesen war. Heute stellen sie 50 Prozent aller Gymnasiasten Egers.

25. Juli 2025

Nur zwei Anwendungen heute, weil wir den Ausflug nach Karlsbad gleich am Montag buchten und für den Therapieplan ansagen konnten. In Karlsbad waren wir 2013 zuletzt eine ganze Woche, jetzt einfach Neugier. Von einem Busparkplatz mit Pendelbus zum Theater, von dort Stadtrundgang und anschließend zwei Stunden Freizeit. Wir laufen zuerst bis zum Kaiserbad, um einen Papierkorb zu finden, über den Knobloch 1976 für die Wochenpost schrieb. Wir finden ihn nicht dort, aber dafür eine kenntnisreiche Frau an der Information im Bad, die uns den genauen Standort auf der Karte einzeichnet. Die Angabe war sehr exakt, der Papierkorb sieht so aus wie damals im Blatt. Allerdings jetzt nur von Rauchern für ihre Kippen genutzt. Wir sehen zuerst die umbenannte Gagarin-Halle, die Statue, nach der ich frage, ist kein Revolutionsopfer, sondern zum Flughafen umgesiedelt. Viele russische Schriftzüge an Geschäften sind verschwunden, Dankbarkeit für die Investoren blieb aber.

24. Juli 2025

An Tisch 15 in der Ecke sitzen die beiden alten Damen, die auch 2024 schon dort saßen, sie wachen sehr eifersüchtig darüber, dass sich niemand dort breit macht, stehen vor der Abendöffnung des Speisesaales bereits vor der Tür. Beide werden immer vom Personal besonders begrüßt, bisweilen setzt sich eine dritte alte Dame mit einem sehr vollen Glas Rotwein dazu. Heute 22. Todestag von Heinz Knobloch, von dem ich gleich drei Bücher zur Urlaubslektüre wählte, „Handwärmekugeln“ beende ich passend zum Tag. Vormittags bei Tesco Unmengen neuer Biersorten, dafür den Wein vergessen, aber außerhalb noch welchen gefunden. Ausflug mit dem Auto nach Königswart, Glück dort mit der Führung durch die Kuriositätenschau, wir mussten nicht lange warten. Leider nur eingeschränkt besucherfreundlich: die Führung in tschechisch, für uns Audioguide in deutsch sehr ausführlich, aber es ist nicht erwünscht, sich individuell zu bewegen. Wir hören mehr als wir sehen.

23. Juli 2025

Wassergymnastik vor dem Frühstück. Wir reden noch über den Mann, der von Beschiss sprach, weil er Kaffee und Kuchen bei der Begrüßung bezahlen musste, nur der Sekt war süß und umsonst. Die Dame vom Reisebüro hatte die Kosten angekündigt, er wollte das nicht gelten lassen, obwohl er es gehört hatte. Drei Saunagänge, es ist wie immer leer, auch im Bad sind nur zwei Frauen in der Ecke mit dem Whirlpool und unterhalten sich, als wollten sie bis Prag zu hören sein. Die Frau in der Aufsicht schaltet uns alles ein, was sie zu bieten hat und freut sich, als wir ihr danken. Ich trinke ein Bier mit Bohumil Hrabal auf dem Etikett, auch eine zweite Sorte mit ihm steht im Kühlschrank. Was für ein Segen ist dieser Kühlschrank, der in so vielen Hotels fehlt. Überhaupt die Ausstattung: das Licht an der Decke ist so hell, das es auch den Schreibtisch gut beleuchtet, eine Fehlleistung in fast allen Hotels, die wir kennen, die glauben offenbar nicht, dass sich jemand daran setzen könnte.

22. Juli 2025

Bereits 8 Uhr sollen wir bei der Ärztin vorsprechen. Sie hat alle unsere Daten noch, das ist nicht wie im Reisebüro, wo wir alle Jahre wieder alles schicken müssen wegen des Datenschutzes. Sie fragt, wie wir mit den Anwendungen zufrieden waren und verschreibt uns, was wir kennen, nur die Moor-Packung lehnen wir freundlich ab. Die Waldquelle wird uns empfohlen, sie hat den Vorteil, nahe der Rezeption aus dem Wasserhahn zu kommen. 11.15 Uhr sitzen wir im Mineralbad und ich muss an Heinz Knobloch denken, dem 1963 ausdrücklich verboten wurde, sich in der Wanne zu bewegen. Ich bewege mich auch ohne Verbot nicht, warum auch. Die Begrüßung diesmal nicht im Hotel Flora, sondern im Reitenberger. Den Rundgang anschließend nehmen wir mit, nachdem wir im Vorjahr verzichtet hatten. So wissen wir nun, dass die beiden Riesengebäude nebenan als Hotel von kasachischen Investoren saniert werden, wie zuvor auch schon das sehr noble Nabokov hinter uns.

21. Juli 2025

Diesmal ohne Umweg nach Marienbad. Die komplette Strecke im Regen, am Ziel gießt es wie aus Eimern. 12.10 Uhr passieren wir die Grenze, eine knappe Stunde später parken wir am Kaufland, um uns mit den nötigen Getränken zu versorgen. An der Rezeption ist alles vorbereitet, wir sind wieder in der zweiten Etage, nach den Zimmern 224 und 222 in den Vorjahren diesmal 209 nach vorn raus. Wir blicken auf den einstigen Kaiser-Franz-Josef-Platz, der offenbar rekonstruiert wird, einer neuer Brunnen steht schon im Rohbau in der Mitte. Wir haben sogar einen kleinen Balkon, der uns bei diesem Wetter natürlich wenig nützt. Neu ist: Wir haben für unseren ersten Besuch bei der Schwester keinen festen Termin, wir dürfen gehen, wenn wir soweit sind. Das klappt auch bestens. Neu ist auch: Am Eingang zum Speisesaal steht mahnend eine Tafel, die vermerkt, wie viel Kilo an Speiseresten gestern weggeworfen werden mussten. Wir denken gleich an die Russen des Vorjahres.

20. Juli 2025

In den ganz alten Nachwende-Zeiten ging ich bei Bedarf am Homburger Platz, vormals Karl-Marx-Platz mit Beton-Kopf, in die Sparkasse an den Schalter mit dem fremden Währungen. Meist wollte ich Schweizer Franken, weil ich zwanzig Jahre lang alljährlich einmal in  die Schweiz fuhr, dort Urlaub zu machen. Ich bekam die Franken auf die Hand gezählt, dazu eine Quittung als Beleg und für die wertvollen Scheine einen grauen Umschlag. Franken-Quittungen habe ich noch etliche, graue Umschläge nur noch zwei. In einem gültige Währungen in Scheinen und Münzen, im anderen Papiermüll aus Ländern mit ohnehin wertlosen Währungen. Dem einen entnehme ich eben 250 Kronen, die ich von der vorjährigen Marienbad-Reise übrig habe. Große Sprünge sind damit nicht zu machen. Die Melancholie, die sich in mir ausbreiten wollte angesichts weiblicher Unfähigkeit, einen Elfmeter ins Tor zu schießen, ist, dank der Französinnen und der Deutschinnen, eingedämmt.

19. Juli 2025

Meine Freunde, die Wespen vor meinem Arbeitszimmerfenster, haben offenbar jegliches Interesse an Innenräumen verloren. Selbst wenn ich das Fenster stundenlang aufgeklappt lasse, also ganze Völker einfliegen könnten, kommt keine einzige herein. Da sie meinen hinter der Tür verborgenen Insekten-Schröter nicht sehen können, ist auch nicht von Abschreckung auszugehen, zumal ich noch keine einzige Wespe meucheln musste in jüngster Zeit. Vor zwanzig Jahren, weil mein Blick eben auf den 19. Juli 2005 fällt, las ich endlich die Schiller-Biographie von Alexander Abusch zu Ende. Die hatte Rüdiger Safranski seinerzeit nicht einmal in seinem Literaturverzeichnis, wie überhaupt Literatur zu Schiller aus dem Osten ihm unwichtiger war als irgendwas. Außerdem las ich damals Denton Welsh, von dem ich sehr begeistert war in einem Strohfeuer und Wsewolod Garschin, der mir ein Dauer-Freund wurde mit seinem überschaubaren Werk. Und Elfriede Jelinek drohte voraus.

18. Juli 2025

Sommerloch ist, wenn sechzehn Talk-Shows an neun Tagen die offenbar versemmelte Wahl von drei Verfassungsrichterinnen (innen und außen) bis zur Brechgrenze belabern, während in den so genannten Hauptnachrichten minutenlang einer amerikanischen Schlagersängerin nachgetrauert wird, die ihre großen Erfolge hatte, als die Türken vor Wien standen. Man könnte sich auch daran berauschen, dass heute Nathalie Sarraute 125 Jahre alt würde, wenn sie denn nicht vorher schon an den Folgen des Nouveau Roman gestorben wäre, den außer Romanistik-Historikern niemand lesen wollte, manchmal noch ein Feuilleton-Chef, der in der Sekunda Französisch nicht abgewählt hatte. Der Name Sarraute kommt auch in zwei zehn und zwölf Jahre alten Texten von mir vor, ich will das nicht kleinreden und bekenne mich unschuldig. Deutschland ist das Land der Ämterbeschädigung, was den beschädigten Ämtern nicht schadet, wir haben auf alle Fälle mehr beschädigte Brücken.

17. Juli 2025

Mit 88 Jahren ist Claus Peymann in Berlin gestorben. Ich sah seine Inszenierung von „Kabale und Liebe“ am Berliner Ensemble, als sie noch ziemlich frisch war. Also gut drei Monate nach der Premiere. Meine inzwischen zwölf Jahre alte Kritik ist noch zu lesen unter meinen Theatergängen. Und sie wird immer noch gelesen: wie auch die anderen sechs, die ich zu „Kabale und Liebe“ verfasste. Eine Zeit war ich entschlossen, Fontanes Schiller-Sichten Stück für Stück zu folgen, als ich seine sämtlichen Theaterkritiken kannte. Es ist bisher nichts daraus geworden. Wie sehr Ursula Krechel den diesjährigen Georg-Büchner-Preis verdient hat, kann ich nicht sagen, denn ich besitze nur bescheidene zwei Bücher von ihr, eins mit Gedichten und eins, das „Stark und leise“ heißt und sich mit „Pionierinnen“ befasst. Unter den Pionierinnen Anna Louisa Karsch, über die ich auch schrieb, Irmgard Keun, Vicky Baum. Und Elisabeth Langgässer, wegen der ich das Buch kaufte.


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